Ende Mai 1933 wurden mein Mann und ich ver- haftet. Einen Schutzhaftbefehl erhielten wir nie.

Uns wurde der Grund der Verhaftung nie mitgeteilt.

Wir wurden nie vernommen. Erst im Frühjahr 1934 wurden wir entlassen.

Über dieses Haftjahr wäre manches zu sagen. Und doch: heute lohnt es sich nicht mehr. Dieses erste Jahr war dem Stimmen der Geigen vergleich- bar. Ich habe das volle Orchesterspiel miterlebt. Ich möchte mich auf den Bericht über dieses Höllen- konzert beschränken.

Die neue Freiheit

Nach unserer Entlassung begann eine schwere Zeit:

Zunächst waren mein Mann und ich arbeitslos. Die Arbeitsämter weigerten sich, uns Arbeit zu ver- mitteln. Die Unterstützung war gering, 9 Mark in der Woche. Für ein möbliertes Zimmer zahlten wir 35 Mark im Monat, für ein kleines Zimmer mit nur einem Bett.

Es war schwer, die Freunde der Vergangenheit zu meiden. Wir mußten es tun in ihrem Interesse und um der eigenen Sicherheit willen.

Es war peinlich, zu sehen, daßFreunde unsere Abwesenheit ausgenutzt hatten, um uns alles zu stehlen, was wir besessen hatten: unsere Wohnungs- einrichtung und die Gegenstände des persönlichen Bedarfes. Es war trostlos, nicht nur ihre Weigerung zur Herausgabe anhören zu müssen, sondern auch die Drohung, daß sie, falls wir auf der Herausgabe unserer Sachen beständen, der Gestapo anzeigen würden, daß jüdische Freunde uns während unserer Haft Pakete geschickt hatten.

Es war schlimm, die Veränderung meines Mannes zu erleben: Für ihn war das Jahr Schutzhaft nicht so leicht gewesen wie für mich. Er schwieg, auch mir

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