Lange Minuten vergingen. Wann würde die Tür nachgeben?

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Da Polizei! Sie erreichte unser Haus, stieg die Treppe herauf. Die Kolbenschläge ließen nach, hörten auf.

Und nun sahen wir ein Bild, das ich nie vergessen werde: einige tausend Menschen standen dicht ge­drängt auf der Straße. Sie sympathisierten mit uns. Sie waren Gegner der Nazis. Sieben SA- Männer schoben sich schwerbewaffnet durch diese Menge, mit ihren Revolvern nach vorne, hinten und Seiten sichernd. Die Menge wich zurück, nicht willig, sie tat es nur knurrend, aber sie wich zurück. Kein Haar wurde den faschistischen Mördern gekrümmt. Tausende wichen vor sieben Mann.

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Auf den Straßen marschierte die SA. SA und SS verhafteten Antifaschisten, schleppten sie in Folter­oft bis zum Tode In den keller, peinigten sie Arbeitervierteln waren Maschinengewehre aufge­stellt, bewaffnete SA patrouillierte, die Arbeiter schlichen niedergeschlagen und unschlüssig durch die Straßen.

Gleichzeitig war es die Zeit der Bälle und Masken­feste: Lachende, festlich geschmückte Menschen, Menschen in Tanzkleidern und mit Larven zogen abends und nachts durch die Straßen. Deutschland tanzte auf dem Vulkan.

Ich war damals Referendarin und stand kurz vor dem zweiten Staatsexamen. Ich arbeitete in einem Anwaltsbüro. Mit den beiden Anwälten war ich eng befreundet. Nach meinem Examen sollte ich als dritter Sozius in die Praxis eintreten. So waren unsere Pläne. Die Übernahme der Regierungsgewalt durch Hitler hatte die Pläne in nebelhafte Ferne gerückt. Würde ich mein Examen noch ablegen können? Würden die beiden Anwälte ihre Praxis behalten dürfen?

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