ID KAPITEL

Der erste Tag

A: wir am nächsten Morgen im hellen Sonnenschein in den SS-Hof einfuhren, erwartete uns ein unvorhergesehener An- blick. Reizvolle junge Frauen, manche ziemlich gut gekleidet, unterhielten sich in Gruppen oder trugen. Pakete und Decken in. die Baracken hinein oder heraus. Wie wir bald entdecken sollten, hatte dieses Phänomen seine besondere Erklärung. Mehrere tausend Frauen waren gerade wenige Tage vor unserer Ankunft nach Belsen gebracht worden und waren daher weder durch Typhus oder Ruhr entkräftet noch durch Hunger oder Schmutz entstellt. Einige waren direkt aus Fabriklagern ge- kommen, wo die Lebensbedingungen zwar hart, doch nicht immer unmenschlich waren. Andere junge Jüdinnen, mutig, willensstark und vielleicht ein wenig vom Schicksal begünstigt,

t deutete hatten ‚ihre Selbstachtung im Vernichtungslager Auschwitz- nlehre Birkenau bewahrt, vor dessen Gaskammern sie durch den diese russischen Vormarsch gerettet worden waren.

\atten ı} Aber das Geheimnis ihrer guten Kleidung beruhte

e einem größtenteils auf der Plünderung, die die ganze Nacht über vor

gsamen sich gegangen war. Diese stärkeren, gesünderen und unter- n, frie ein nehmungslustigeren jungen Frauen hatten die Kleiderkammern|

hes Schick- des ganzen Lagers durchsucht, ihre eigenen Kleider wieder an

sich genommen, die Sträflingskleidung abgelegt und in einigen Fällen feldgraue Jackette aus Ersatzwolle und graue Regen- mäntel der SS angezogen. Die Französin, mit der ich am vor- hergehenden Nachmittag gesprochen hatte, war zum Beispiel so gekleidet.

Als wir ankamen, nahmen alle diese Frauen gerade die leeren Baracken und Lagerräume des SS-Hofes in Besitz. Ihre Initiative hatte sie vor den schlimmsten Gefahren der Infektion

und Überfüllung bewahrt.