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getroffen und beschuldigt, weil uns der Zufall der Geburt zu Juden und der Lauf der Weltgeschichte zu Polen
“gemacht hatte. Ich bin kein frommer Mann gewesen,
aber in dieser Nacht der Not beschäftigte mich der Ge-
einem, und da ich an ihn dachte, wußte ich, daß ein Gott ist und daß er mich behüten wird. Ich gehörte nicht zu dem Kreis der Juden, die im Hintergrund des Ganges sich gegen die Wand lehnten und beteten. Ich hatte seit den Tagen meiner Kindheit keinen Juden öffentlich beten sehen. Ich hätte vielleicht vor kurzer Zeit noch dazu geneigt, die Betenden mit einem Lächeln über- legener Skepsis zu betrachten. Jetzt erkannte ich, daß die Frommen in ihrem Gottvertrauen eine Stütze hatten und auch im Elend die Menschenwürde, als von einem Höheren gegeben, wahren konnten. Über allem Hin und Her, über unsere Trauer, unsere Hoffnung, unsere Ver- zweiflung und unsere Empörung, über dem Weinen der Kinder und den hebräischen Worten der Beter schwebte der Geruch des Gefängnisses, ein alter, abgestandener, zäher Geruch menschlicher Not, menschlicher Armut, menschlicher Exkremente und menschlicher Schuld. Vielleicht bin. auch ich früher an dem Armen, den wir schuldig werden lassen, mit hartem Herzen vorbei- gegangen.
Am Morgen erschienen unsere uniformierten Bewa- cher, die sich die Nacht über abseits gehalten hatten. In ihrer den militärischen Ausdruck bevorzugenden Sprache redeten sie von unserem baldigen Abmarsch und erregten


