gern
befaßt, unter dem Einfluß welcher besonderen Faktoren sich die Vernunft, der Wille, der Charakter und das morali- sche Antlitz meiner Mandanten bildete, von denen der Älteste- Sorge- jetzt erst 36 Jahre alt ist, und der Jüngste — Schubert- erst 30. Ist es doch erforderlich, auf diese für die Verhandlung äußerst wichtige Frage eine klare Antwort zu geben, da sich unsere sowjetische, wahrhaft wissen- schaftliche Strafrechtspflege niemals mit der sogenannten anthropologischen Schule der Strafrechtspflege solidarisch erklärte, nämlich mit deren Theorie des Verbrechers von Geburt aus.
Folglich muß man bei der Frage, wie die Angeklagten zur unmittelbaren Teilnahme an den blutigen Verbrechen gegen die Menschlichkeit kamen, von einem ganz anderen Gesichtspunkt ausgehen.
Mir scheint, Genossen Richter, es ist zweckmäßig, daran zu erinnern, daß derart autoritative Forscher wie Karl Marx und Friedrich Engels in ihren Werken dargelegt haben, daß das geschichtliche Milieu, die Bedingungen des gesell- schaftlichen Daseins und die von den gesellsehaftlichen Beziehungen hervorgerufenen Erziehungsbedingungen das Bewußtsein, die Interessen, den Willen, den Charakter und das moralische Antlitz der Menschen formen. Engels zum Beispiel bezeugt, daß noch in der Mitte des 19. Jahr- hunderts sich die englischen Arbeiter und die englische Bourgeoisie sogar äußerlich so wenig ähnelten, daß es schien,
- sie gehörten verschiedenen Nationen an, und daß die Unter-
schiede in ihrem Charakter, in ihrer ganzen geistigen Er- scheinung das Ergebnis verschiedener Lebensbedingungen, verschiedener Auswirkungen, denen sie unter den Bedingun- gen des gesellschaftlichen Milieus ausgesetzt waren, sind.
Mir scheint es, daß das Alter und die Stellung meiner Mandanten im Prozeß mich verpflichten, mich nach Mög- lichkeit eingehend mit der Frage nach dem Einfluß sozialer, staatspolitischer und ideologischer Faktoren auf die Heran- bildung des Willens und des Charakters zum Verbrechen zu beschäftigen. Dabei kann und muß man den Willen und den Charakter nicht nur einzelner Individuen, sondern viel-
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