schaft kompromittieren konnten. Für uns alle war aber die Korruption innerhalb der gesamten SS ein offenes Geheimnis und so manchesmal zogen wir zu Gunsten eines unserer Ka­meraden unseren Vorteil daraus.

Bevor neuangekommene Frauen und Mädchen nach dem Lager Birkenau gebracht wurden, ließ manchesmal der La­gerkommandant Heẞler alle nackt an sich vorüberziehen. Mit wollüstigen Blicken taxierte er jeden Körper ab. Wer ihm nicht zusagte, wurde beiseite gestellt und kam statt ins Lager Birkenau in die Gaskammern Birkenaus. Dies traf vor allem ohne Ausnahme jede schwangere Frau!

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Ähnliche Musterung wurde aber auch unter den männ­lichen Juden gehalten. Hier wurden vor allem die Fach­arbeiter, Mechaniker, Tischler, Schlosser usw. herausgesucht, die in den Rüstungswerken sofort zur Arbeit eingesetzt wer­den konnten. Alle übrigen bestiegen dann nackt wartende Lastwagen und unter der Vorspiegelung, zum Baden gebracht zu werden fuhr man diese Ahnungslosen ebenfalls in die Gaskammern.

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Knaben im Alter von 10-14 Jahren hielt man einige Zeit im Lager. Da sie für die allgemeine schwere Arbeit in den Kommandos nicht geeignet waren, beschäftigten sie die Block­ältesten im Block mit Fensterputzen und ähnlichen Verrich­tungen. Doch bald erklärte der Schutzhaftlagerführer, es sei unmoralisch und unsittlich, Kinder mit Erwachsenen gemein­sam in gleichen Schlafräumen unterzubringen. Da es für Kin­der keinen eigenen Block gab, half sich die Lagerführung da­mit, daß man diese Knaben einfach durch Phenolinjektionen umbrachte. Damit war die nazistische Moral wieder gerettet!

Die zur Aufnahme in das Lager bestimmten Juden wurden am linken Unterarm mit der Häftlingsnummer tätowiert. Diese Nummer galt als ,, Totennummer", durch die der Häft­ling identifiziert wurde, wenn er gestorben war. Derartige Tätowierungen fanden meines Wissens nach nur in Auschwitz statt und wurden auch nur an Juden und Zigeunern vor­genommen. Die übrigen Häftlinge trugen ihre Nummer mit Kopierstift auf die Brust geschrieben.

Schreiberlaubnis erhielten die ausländischen Juden meines Wissens nur einmal. Da wurde ihnen befohlen, an die jüdi­sche Kultusgemeinde ihrer Heimat kurz zu berichten, daß sie in einem Arbeitslager in Ostdeutschland angesiedelt seien, daß es ihnen gut ginge und sie mußten ihre noch in der Heimat verbliebenen, skeptischen Glaubensgenossen auffordern, bald

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