ihren Sohn. Der Blick ihrer kleinen, grauen Augen war zärt­lich und angstvoll.

,, Da hätte ich schon gestern fahren müssen!" sagte Hermann langsam. Gerade über das Papier hinweg sah er auf die Kommode. Dort stand unter Glas Mutters Braut­kranz. In das Seidenkissen hatten die Motten Löcher ge­fressen.

,, Zwei Tage bist du erst hier", sagte die Mutter. ,, Hast doch eine Woche Urlaub."

Der Soldat hob die Schultern. ,, Der Urlaub ist im Arsch", sagte er. Er rollte das Papier zusammen und machte ein böses Gesicht.

Mit einem Seufzer, der schon Gewohnheit war, stand die Mutter auf.

,, Ich werd mal Kaffee kochen", tröstete sie ,,, das hat Vater auch immer gutgetan."

Der Soldat blieb am Tisch stehen. Er hatte die Unterlippe vorgeschoben und sah trübe vor sich hin. Nun mußte er fah­ren. Er ärgerte sich. Er ärgerte sich, daß er die Nacht herum­gesoffen hatte. Er hätte lieber nach dem Kino mit Emma gehen sollen. Er hatte noch Durst gehabt und war in einer Kneipe hängengeblieben, obwohl er Emma versprochen hatte nachzukommen. Aber eine Runde war auf die andere gefolgt, hatten sie fünf oder sechs Maß getrunken? Und dazwischen Enzianschnaps, der nach Erde schmeckte. Er hatte sich ge­dacht, mit Emma ist immer noch Zeit. Der Dicke hatte ge­prostet: ,, Auf unsere Wehrmacht, da können wir stolz sein." So war Hermann nicht mehr zu Emma gegangen.

29

, Es konnte ja nichts Gutes sein", sagte die Mutter und setzte den Kaffee auf den Tisch. ,, Was soll schon ein Tele­gramm bei uns. Und nun mußt du fahren."

Er nahm ein Stück Brot. Saure Gurken waren auch da. Dann goß er Kaffee in den großen Blechnapf und setzte sich

114