Peitsche an. Erst wenn der Alte die Feder niederlegte und die müden Finger ausstreckte, um mit einem unwirschen Seuf­zer seine Papiere zusammenzukramen, dann erst wich auch die Spannung von Lauterbach, der dem Alten auf dem Fuß folgend das Café Stephani verließ. Jeden Morgen von neuem stellte sich Lauterbach zu diesem Ringen, spät am Mittag verließ er erschöpft auf den Spuren seines unheimlichen Geg­ners die Walstatt. Nach einigen Wochen pflegten sie einander am Morgen zu grüßen wie zwei Ritter, die zum Turnier an­treten, doch nie wurde das Visier gelüftet, nie ein Wort zwi­schen ihnen gewechselt. So ging es fast einundeinhalb Jahre lang.

In dieser Zeit schuf Lauterbach das lyrische Epos ,, Der gelbe Tag", in dem er die Tragödie des Stadthistorikers von Wasserbergen zu einem großen Seelengemälde gestaltete. Was hier über die Enge des kleinstädtischen Lebens gesagt wird, erinnert uns in seinem düsteren Klang an jenen letzten Seuf­zer des Reiters über dem Bodensee . Allerdings tritt uns als das Motiv für die Mordtat doch die Eifersucht entgegen, eine wohlbegründete Eifersucht. In der Dichtung nämlich betrügt die Ermordete ihren Gatten mit einem jungen Mann, dessen Schilderung wohl das vollendetste literarische Selbstporträt ist, das wir kennen. Daneben entstanden als Früchte dieses ungewöhnlichen Wettstreits die großen Landschaftsgedichte, die Elegien und jene stürmischen ,, Rufe zur Tat", die be­kanntlich sofort nach ihrer Veröffentlichung von den Behör­den unterdrückt wurden.

Nach einundeinhalb Jahren richtete der Alte zum erstenmal das Wort an Lauterbach. Es war am Ende der morgendlichen Arbeitsperiode. Der Greis wollte aufstehen, aber ein plötzliches Unwohlsein ließ ihn auf seinen Platz zurücksinken. Da winkte er Lauterbach zu sich heran und bat ihn, ihm einen Wagen zu holen. Lauterbach führte den Alten auf die Straße und half

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