Schon am nächsten Morgen mußte er feststellen, daß es ihm unmöglich war, in dem engen und feuchten Zimmer zu arbeiten. Lauterbach floh, und es war nur allzu natürlich, daß er seinen Weg ins Café Stephani nahm. Noch bevor er ein­trat, sah er bereits den Alten auf seinem Platz am Werk.

Lauterbach setzte sich ihm gegenüber und zog nun selber Papier und Bleistift hervor. Aber aus der Arbeit wurde nichts an diesem Morgen. Wann immer es Lauterbach glückte, zö­gernd eine Zeile niederzuschreiben, fiel sein Blick auf den Greis, dessen Feder vom Drange des Genies getrieben ohne abzusetzen dahinhuschte und mit dünnen Strichen ihre für die Ewigkeit bestimmten Zeichen hinterließ.

Geblendet und verwirrt vom Anblick dieses unaufhaltsa­men Wirkens, das sich wie eine Naturkraft offenbarte, lieẞ Lauterbach den Bleistift sinken. Ähnlich erging es ihm am nächsten und auch am übernächsten Morgen. Lauterbach ge­riet völlig in den Bann dieser ehrwürdigen, im Auftreten großartigen, durch unendliche Schöpferkraft ausgezeichneten Erscheinung. Wie von Dämonen getrieben ließ der Greis seine Feder über das Papier fliegen. Hielt er endlich nach Stunden mit einem Atemzug tiefer Erschöpfung ein, so schleuderte er mit einer hochmütigen Geste einige Nickelstücke auf den Tisch, warf den Umhang nachlässig über die Schultern und machte sich mit eiligen Schritten auf den Weg, wie einer, der keine Zeit zu verlieren hat. Einmal streifte sein stählerner, ein wenig starrer Blick den jungen Lyriker. Dieser Blick traf Lauterbach wie eine Herausforderung, und nachdem noch einige Tage vergangen waren, beschloß er, dem Alten zu trot­zen. Er fand sich von nun an jeden Morgen pünktlich zur fluchend gleichen Stunde wie der Alte ein und arbeitete

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oft und den Alten verwünschend. Die ruhelose Feder des Greises, die bei aller Hast doch nur mit Mühe dem Flug sei­ner Gedanken zu folgen schien, trieb Lauterbach wie eine

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