losigkeit, denn Lauterbachs Scheiden mußte für sie nur noch eine weitere Verarmung des aller geistigen Anregung baren Lebens in der kleinen Stadt bedeuten.
-
Lauterbach selbst berührte die fast dörfliche Ruhe und Beschränktheit in Wasserbergen nicht. Sie sagten eher dem Naturell unseres Dichters zu, der zweimal wöchentlich im ,, Boten für Wasserbergen und Umland" seine Gedichte und lyrischen Prosastücke veröffentlichte. In ihnen drückte er gewiẞ häufig seine Sehnsucht aus, der Enge zu entfliehen und sich die Welt zu erobern, aber seine Angst vor der Welt war nicht unbeträchtlich. Um jene Zeit Lauterbach war gerade 23 Jahre alt zeigte die Gestalt des jungen Lyrikers schon Ansätze zur Behäbigkeit. Immerhin beeinträchtigte die beginnende Rundung des Bauches, die damals schon die spätere Fülle andeutete, noch keineswegs den sympathischen gewinnenden Eindruck seiner Erscheinung. Jene ,, G", an die er seine Sonette richtete, als Assistentin in der Apotheke zum ,, Einhorn" tätig, hatte ihren Platz im Herzen des Dichters gegen eine Reihe von Konkurrentinnen zu verteidigen. Wasserbergen ist ja noch heute für die auffallende Schönheit seiner braunäugigen, flachsblonden Töchter berühmt. Die alten Festungswälle mit ihrem sommerlich duftenden Gras, die schilfbewachsenen Ufer der Illnitz, deren grüne Wasser in flinken Wellen talwärts stürzen, boten, kaum zehn Minuten vom altehrwürdigen Marktplatz entfernt, lockende und verführerische, liebeerweckende Liebesverstecke. Lauterbach, ein hoffnungsvoller und träumerischer Dichter, ließ sie nicht ungenützt. So dürfen wir wohl auch hierin einen Grund dafür suchen, warum er sich solange sträubte, dem Rat seiner Freunde zu folgen.
Zu jener Zeit ereignete sich die Tragödie im sogenannten ,, alten Schloß". Der Stadthistoriker Baudörfer, ein einbeiniger verabschiedeter Offizier und Freund Lauterbachs, erdros
102


