Eines Sonntags, als Erwin bei den Eltern weilte, erschien Dr. Waldinger zu Besuch. Da der Vater mit Ischias im Bett lag, begleitete Erwin den Arzt auf die Jagd. Es war ein warmer Herbsttag, weiße Federwolken strichen über den Himmel, der eine grünlich- gläserne Farbe zeigte. Sie schossen zwei Hasen und ein paar Kaninchen und rasteten darauf am Rande eines Baches unter einer breitgeästeten Linde, deren Blätter in tiefem Rot und Goldgelb brannten. Waldinger trank mit Behagen den Wein aus der Feldflasche, die Erwin ihm reichte, und steckte sich eine Zigarre an.
Da und dort glitt ein Sonnenstrahl durch das Blätterdach und malte einen hellen Fleck auf Gras und Moos. Ein später Falter schaukelte durch die Luft. Vom Bach her klang leises Plätschern, wann immer ein Fisch aus dem Wasser schnellte.
Erwin war froh, daß er einmal ungestört mit dem Arzt über die Mutter sprechen konnte. Ob sie nun wirklich völlig wiederhergestellt sei, fragte er. Waldinger bejahte das nachdrücklich.
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War die Operation gefährlich?" fragte Erwin.
,, Keineswegs", meinte der Arzt und reckte die Arme.
,, Ich war damals recht erschrocken", bekannte Erwin und wollte wissen, ob denn ein Rückfall möglich sei.
Waldinger richtete sich auf, und er maß Erwin mit einem etwas spöttischen Blick. Sein bäurisch grobes Gesicht drückte Erstaunen aus und eine Art Mitleid.
,, Freilich", sagte er dann langsam und stemmte die Arme seitlich auf den Boden ,,, ihre Eltern haben Ihnen wohl kaum sagen können, was los war. Und ich hab mir vorgestellt, Sie Also würden wohl von selber drauf kommen. Aber nun-. hören Sie zu: die Operation, von der Sie da reden, war weiter nichts als ein Eingriff."
Erwin starrte den Arzt schweigend an.
,, Herr Gott noch einmal, ja!" rief Waldinger. ,, Was schauen
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