Sie wartete nicht auf seine Antwort. Sie zog ihn an sich und küßte ihn und wiederholte flüsternd die Anrede, die für sie seit der Operation schon Gewohnheit geworden war.Mein Einziger, sagte sie.

Bevor Erwin mit dem letzten Zug am Sonntagabend nach Würzburg zurückfuhr, hatte er der Mutter versprochen, am nächsten Wochenende wiederzukommen.

Da er aber Josefa wenigstens sehen und sprechen wollte, so vereinbarte er mit ihr für einen Wochentag eine Begegnung in einem kleinen Städtchen unweit des Dorfes, in dem sie als Lehrerin eine Respektsperson war und nicht mit ihm gesehen werden durfte. Ihr Beisammensein war nicht glücklich. Sie hatten sich in einem Wäldchen in der Nähe der Station ver- abredet, fanden sich dann aber erst spät infolge eines Miß- verständnisses. Sie stritten sich zunächst eine Weile, wer Schuld daran sei, daß sie sich verfehlt hatten. Ein bitterer, gereizter Ton klang plötzlich zwischen ihnen auf. Die stets sanfte, geduldige Josefa schrie ihn mit schriller Stimme an. Er beschuldigte sie zu seiner eigenen Verwunderung, daß sie auf die Mutter eifersüchtig sei. Josefa brach in Tränen aus und klagte, er vernachlässige sie. Er übertrieb der Mutter Krankheit, von der er doch nichts wußte,und schalt Josefa gefühllos.Wenn du nur wüßtest, was du tust! rief sie

schluchzend. Manchmal schien es, als kämen sie wieder einer

Verständigung nahe, aber am Ende trennten sie sich unter

Tränen und Bitterkeit.

Und auch die wenigen Male, die sie sich in den nächsten Wochen trafen, gab es fast stets Streit. Es schien, als könne Josefa kein Verständnis dafür aufbringen, daß Erwin der Mutter gegenüber Pflichten hatte. Sie war leicht verletzbar und weinte oft ohne Grund. Versuchte er dann, sie zu trösten oder versöhnten sie sich gar, so umarmte sie ihn oft mit solch heftiger Leidenschaft, daß er nahezu bestürzt war.

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