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sich kaum die Zeit, etwas zu essen. Er brachte Blumen oder Früchte, herkömmliche Geschenke, saß neben der Mutter Bett, blickte durch das Fenster auf die armseligen Bäume, die draußen wie in vergeblicher Erwartung die Vorstadtstraße säumten, und er lauschte dem Läuten der Straßenbahn, das von der Endstation herüberklang.
,, Mein Einziger", sagte die Mutter. Diese Anrede und mehr noch ihr Klang, traurig und stolz zugleich, überraschten Erwin.
Aber es waren nun gute Stunden, die sie miteinander teilten. Erwin freute sich von Herzen, wie es ihr so zusehends von Tag zu Tag besser ging. Allerdings glaubte er zu bemerken, daß ihre gewohnte, aus der Tiefe sprudelnde Fröhlichkeit für immer versiegt war. Auch wenn sie lächelte, lag ein Schatten verzichtenden Ernstes um ihren Mund. Das war der Grund, warum Erwin es immer wieder hinausschob, von Josefa zu sprechen.
,, Vor allem keine Aufregung", hatte Waldinger empfohlen. Natürlich war das Schweigen auch bequemer, obwohl Erwin spürte, daß es böse, nicht absehbare Folgen haben mochte.
Da spann die Mutter Pläne für die Zukunft. Oh, selbstverständlich war, daß er von nun an wieder regelmäßig zum Wochenende heimkommen werde ,, nach all der langen Zeit". Und wie stand es nun eigentlich mit seinem Urlaub? Er hatte doch in diesem Jahr noch keine Ferien genommen. Waldinger wollte, daß die Mutter auf vier Wochen in einen Badeort gehe. War es nicht schön, daß sie nun ihre Ferien zusammen verbringen konnten?
"
Gewiß, gewiß", sagte Erwin mit flackernder Stimme und dachte an Josefa.
Er sah sie am nächsten Wochenende nicht, denn da hatte er die Mutter nach Hause zu bringen. Als sie das Bett verließ, stellte sich heraus, daß ihr Zustand noch recht unbefriedigend
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