die Palette, langsam und umständlich. Ich zögerte vor dem ersten Pinselstrich. Von neuem packte mich ein Gefühl der Unsicherheit, ein abergläubisches Entsetzen. Ich wollte Pin­sel und Palette wegwerfen.

Doch war die Lockung, die von ihrer stillen Schönheit aus­ging, stärker als meine Ängste, und viel stärker noch waren die Hoffnung auf ein paar Stunden ruhigen Alleinseins mit ihr und die Aufgabe, dieses sanfte, leuchtende Gesicht zu malen, ein so menschliches Gesicht, wie es selten war in jener Zeit. Denn auch die Gesichter hatten sich verändert, waren kälter geworden, ausdrucksloser, flächiger. Glaubt ihr denn, es ginge spurlos an den Gesichtern vorüber, wenn die Menschen, die dazu gehören, alles verschweigen? Natürlich nicht, aber das zu sehen vermag eben nur unsereiner.

So begann ich mit zitternder Hand. Ich setzte auf den Hin­tergrund ein dunkles, schweres Blau. Aus Steffies Gesicht strahlte eine Innigkeit wie aus den Heiligenbildern des frühen Mittelalters.

Gewöhnlich unterhielt ich mich mit meinen Modellen, da­mit sie ein wenig abgelenkt wurden. Aber diesmal wußte ich kein Wort zu sagen, da bat ich sie, ein Lied zu singen. Die alten Volkslieder waren ja seit Jahren wieder aufgekommen, und sie wußte eine Menge davon. Erst summte sie leise vor sich hin, wechselte suchend von dieser zu jener Melodie. Durch das halb geöffnete Fenster stieg aus dem Fluß der Geruch von faulendem Holz und ein früher Nebeldunst herauf. Das Mühl­werk rumpelte, und das ganze Haus zitterte.

Steffie sang.

Ich arbeitete. Ich fluchte und schimpfte, während ich die Farben auf die Leinwand trug. Dann, plötzlich, brach ich ab. Ernüchterung überfiel mich, und die alten Ängste wurden wieder wach. Ich legte Palette und Pinsel auf den Tisch und hing ein Tuch über die Leinwand.

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