porträtieren. Ich ging sofort darauf ein, und wir setzten den Tag für die erste Sitzung fest.

Schon lange hatte ich keine Porträts mehr gemalt, so kam mir der Einfall, mir einmal meine älteren Arbeiten anzu­sehen. Ich holte die verstaubten Leinwände von der Boden­kammer herunter. Was ich entdeckte, als ich die Bilder in meinem Atelier aufstellte, erfüllte mich mich brennender Un­zufriedenheit. Auch nicht ein einziges wollte ich gelten lassen. Zu berechnend und wohl auch zu laut hatte ich die Konträr­farben gegeneinander ausgespielt. Und alle Hintergründe waren falsch! Wo sie Licht verlangt hätten, waren sie dunkel, wo sie flächig hätten sein sollen, hatte ich gewaltsam eine Perspektive hineingebracht.

Hinter dem fleischigen und doch so bitteren Gesicht des welche Freude hatte mir das Licht auf Kaufmanns Bing

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breitete sich den vollen rötlich- blauen Backen gemacht unbegreiflicherweise eine Gewitterlandschaft. Beim Brand der Synagoge war Bing erschlagen worden. Sah man ihm sein gewaltsames Ende nicht an? Hatte ich es ihm nicht in seinem Bilde schon auf die Stirn geschrieben?

Bestürzung ergriff mich, als ich mich jetzt unter meinen Bildern umsah: ich hatte eine Galerie von Toten beisammen, eine Schau von Gemordeten und Selbstmördern!

Zwölf Porträts hatte ich in den letzten Jahren gemalt. Neun von meinen Modellen waren nun tot. Sie waren nicht gestorben, sondern auf gewaltsame Weise umgekommen, wie der Maler Marcus, der eines Morgens unten im Rechen vor dem Mühlrad gefunden worden war, oder wie der Geyers Florian, ein Brauknecht, den sie erschossen hatten. Natür­lich hatte ich von ihrem Tode gehört, denn es wurde ja alles bekannt, obwohl niemand je ein Wort über diese Dinge sagte. Woran ich aber nicht gedacht hatte, als ich die Nachrichten von ihrem Tode bekommen hatte, woran ich nicht gedacht

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