Er blieb beim Wachkommando des Lagers und zog jede Nacht und jeden Tag auf seinen Turm. Anfänglich hatte er sich bemüht fortzukommen, hatte allerlei Eingaben an seine Vorgesetzten eingereicht; später— zu der Zeit etwa, als Heini Matthießen aufgetaucht war, sein Freund von Dachau und Buchenwald — war es Peter Kluge ratsamer erschienen, sich still zu verhalten.
Im Winter war es kalt, bitter kalt auf dem Turm— trotz der Filzstiefel und des Pelzmantels—, im Sommer konnte man manchmal vor Hitze vergehen. Hinzukam, daß gelegent- licher Südwind den Dunst vom Krematorium auf den Turm zu wehte, dann war es vor Gestank kaum auszuhalten.
Aber wenn es weder zu heiß noch zu kalt war, und wenn kein Südwind wehte, war der Dienst auf dem Turm gar nicht so‘schlecht.
Peter Kluge war ein besinnlicher Mensch. Konnte er auf seinem Posten— bei Nacht etwa— ungestört seinen Ge- danken nachhängen, so war Er zufrieden, daß das Leben ihn auf einen dieser Wachtürme hinaufgehoben hatte.
Immer hatte er etwas Besonderes sein wollen. Schon als Kind war ihm kein Baum zu hoch gewesen. Jetzt stand er also auf seinem Turm:
‚Zum Sehen geboren,
Zum Schauen bestellt,
Gefällt mir die Welt.” Seinen Goethe kannte Peter Kluge noch aus der Zeit, da er nicht der Schwarzen Garde angehört hatte, sondern ein an- gehender Volksschullehrer gewesen wär. Er liebte das Lied vom„Heidenröslein um seiner tiefen Traurigkeit willen. Schade, daß Goethe nicht auch die Loreley ‘ gedichtet hatte, ein noch traurigeres Lied.
Zum Sehen geboren, zum Schauen bestellt.»- Auch
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