den Zeiten bei Erna und Gustav, aber auch in den Monaten bei Onkel Karl. Wir hatten ausgemacht, bei abendlichem, verdächtigem Läuten, das unten an der Haustür erfolgte, sollte ich für alle Fälle in der auf dem Treppenflur ge­legenen Toilette verschwinden, weil die Wohnung keinen zweiten Ausgang hatte. Daß das bei einer regelrechten Haussuchung kein sicherer Schlupfwinkel wäre, war mir klar. Ich konnte nur hoffen, daß es nicht so weit kam!

Am 18. April kam ein Telegramm von Hella, sie würde am 19. kommen, ich solle mich bereit halten. Meine Span­nung stieg ins Unerträgliche.- Ich holte Hella vom Bahn­hof ab. Die Abreise war für den 20. April vorgesehen. Also gerade an Hitlers Geburtstag sollte ich über die Grenze gehen! Hella meinte, dieses Datum sei gewiß mit Absicht gewählt worden. Ich wollte wissen, was die Sache koste. ,, Mit Mühe und Not habe ich erreicht, daß sie über­haupt noch deutsches Geld nehmen", berichtete sie. ,, Du bist wahrscheinlich die Letzte, bei der sie es tun, und sie verlangen daneben noch eine Menge Wäsche und einen goldenen Ring. Doch die Hauptsache ist, daß wir es geben können und alles hoffentlich klappen wird." ,, Wohin muß ich fahren, und wie soll alles vor sich gehen?" fragte ich gespannt.

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,, Das will ich dir genau sagen. Wir fahren morgen nach Singen. Du darfst keinen Koffer mitnehmen, höchstens einen nicht zu schweren Rucksack und eine größere Tasche. Du sollst auch keinen Hut aufsetzen, sondern ein Tuch um­binden. Und als Erkennungszeichen mußt du bitte lache nicht! einen Besen in der Hand tragen!!" Mir war bei­leibe nicht zum Lachen zumute, aber ich muß wohl sehr runde, erstaunte Augen gemacht haben, denn Hella begann ihrerseits zu lachen. Meine Hand fassend, fuhr sie fort: ,, Ein drolliges Erkennungszeichen, aber ein sicheres jeden­falls, und heutzutage, wo es gar nichts mehr zu kaufen gibt, wird es niemandem besonders auffallen, wenn eine Frau einen Besen von einem Ort zum andern bringt. Schwieriger

19 Behrend, Ich stand nicht allein

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