-

-

Er berichtete uns, daß der Winterfeldtplatz brenne, ebenso eine Häuserreihe in der Gleditschstraße ganz schwer ge­troffen sei. Auch die Häuser um den Pragerplatz seien zu­sammengestürzt. Später erfuhren wir von vielen weiteren schweren Schäden in verschiedenen Stadtteilen. Die Berliner haben durch diesen Angriff einen schweren Schock erlitten und ahnen, was noch alles kommen könne! Abends hasten die Menschen noch mehr als sonst schon die Straßen entlang, um nur ja schnell vor einem eventuellen Alarm heimzukommen; das Stoßen und ungestüme Drängen an den Trambahnhaltestellen, den Untergrund- und Schnell­bahnhöfen ist ärger geworden als je zuvor. Die Gesichter sind noch gespannter und ernster, ja düster, und von der sogenannten Volksgemeinschaft ist absolut nichts mehr zu spüren. Noch ein Einzelerlebnis will ich dir berichten. Die Besitzerin des Kolonialwarenladens, in dem Onkel Karl seit Jahren einkauft, wo er wohl auch vielerlei bekommt, was gewöhnliche Sterbliche nicht mehr erhalten, hat sowohl ihr Geschäft wie ihre Wohnung, die beide in der Gleditsch­straße, aber in verschiedenen Häusern waren, verloren. Sie selbst wurde mit den meisten übrigen Bewohnern ihres Hauses vermißt. Da der Keller völlig zerstört war, gab man die Leute verloren. Doch zwei volle Tage später tauchten sie plötzlich alle miteinander, verrußt und erschöpft, aus einem Keller einer ziemlich entfernten Straße wieder auf. Sie waren, als ihr eigener Keller vom Einsturz bedroht war, in ein Nebenhaus durchgebrochen und ganz allmählich von Keller zu Keller weitergewandert. Schließlich waren sie auf das Wein- und Konservenlager irgend eines Geschäfts ge­stoßen, hatten ihren schlimmen Hunger und Durst stillen können und waren endlich wieder, vorsichtig Ausschau haltend, aus dem letzten Keller auf die Straße gelangt. Die Lebensmittelhändlerin, die mir übrigens sehr wenig sym­pathisch ist auch Onkel Karl schätzt sie charakterlich sehr niedrig ein hat ihm das Erlebnis mit allen Einzel­heiten erzählt, und er berichtete es uns.-

252

-

-