frei bewegen kann. Wir vier anderen besitzen vorläufig keine Ausweispapiere. Lotte hat wie ich eine falsche Kenn­karte gekauft, doch fehlt ihr wie mir noch das richtige Lichtbild und vor allem die Ergänzung des notwendigen Stempels. Bei meinem nächsten Besuch hat mir Gustav allerdings die geänderte Kennkarte in Aussicht gestellt, doch hat der Helfer schon einige Male versagt.

Um unser aller Unterbringung zu ermöglichen, hat Onkel Karl zum Schlafen das Feld geräumt. Er hat in seiner Fabrik, die er mir am letzten Sonntag gezeigt hat, ein kleines, sehr bescheiden ausgestattetes Schlafzimmer, in dem er sich bei verlängerter Arbeitszeit für kurze Stun­den ausruhen kann. Nun hat er es für die Dauer unseres Aufenthaltes bezogen.

Morgen müssen sich übrigens alle vier für den Hauptteil des Tages außerhalb des Hauses aufhalten. Mittwochs kommt nämlich Frau Schmidt, seit vielen Jahren Onkel Karls Putzfrau, die gründlich die Wohnung säubert. Sie soll nach gemeinsamer Ueberlegung nichts von der An­wesenheit der vier wissen. Zwar ist sie politisch durchaus zuverlässig Onkel Karl duldet niemand in seiner Nähe, der Nazi ist, aber je weniger Menschen von der Beher­bergung so vieler Gäste wissen, desto besser und sicherer. Morgen früh müssen wir alle Sachen, die ihre Anwesen­heit verraten könnten, in das Vorratszimmer räumen, zu dem ich den Schlüssel habe, und in das Frau Schmidt nur alle acht bis zehn Wochen zum Reinemachen kommt.-

-

Susi geht zu ihrer Mutter, Herbert hat eine Tante mit einem arischen Mann, Evchen eine Freundin und Lotte ganz in unserer Nähe ein früheres Faktotum, eine rührend brave Haut, die für ihr Fräulein Doktor alles tun würde! Frau Schmidt kommt immer gegen zehn Uhr und bleibt bis gegen fünf Uhr nachmittags. Ich bin ihr von Onkel Karl gleich nach meinem Einzug in aller Form vorgestellt worden. Ich habe den Eindruck, daß sie ganz einverstan­den ist mit meinem Hiersein.-

240