badet aus einem schweren Traume wieder auf, der mich ins Heim zurückversetzt. Zunächst freue ich mich, die alten Bekannten wiederzusehen, bis mir plötzlich klar wird, daß ich ja geflohen bin und mich im Heim nicht sehen lassen darf. Ich suche dann krampfhaft nach einer glaubwürdigen Erklärung meiner Rückkehr und kann doch keine finden. Und schon prasseln die Fragen auf mich nieder, auf die ich keine Antwort weiß. Nach dem Erwachen liege ich dann stundenlang wach und scheue das Wiedereinschlafen, das unter Umständen mit kleinen Variationen den gleichen schweren Traum wiederholt.

Berlin , den 17. November 1942

Drei Monate bin ich nun hier. Doch habe ich mich nicht entschließen können, das Tagebuch zu öffnen, geschweige denn weiter zu schreiben. Aber heute, am Geburtstag un­serer Jüngsten, will ich mir einen Ruck geben. Meine Sehn­sucht nach Euch, Ihr Lieben, ist so schmerzhaft stark wie kaum je in den ganzen Jahren der Trennung. Wie mag es Euch gehen, wie magst Du, kleine Hanna, Deinen Geburts­tag, den zwanzigsten, begehen? Als Du mich verlieẞest, warst Du ein Kind, vergebens bemühe ich mich, mir Dein jetziges Aussehen, Deine Art zu sprechen und zu lachen vorzustellen. Daß ich jetzt, da ich ,, untergetaucht" bin, also illegal lebe, keine Verbindung mehr mit Euch haben kann, bedrückt mich entsetzlich. So lange ich in München war, konnte ich doch nach Portugal , an die Schwägerin Alice, schreiben und wußte, daß sie Euch die Nachrichten weiter­gab, wie sie umgekehrt mir getreulich von Euch berichtete. Aber da schon seit langem jeder Auslandsbrief persönlich mit dem Personalausweis am Postamt vorgelegt werden muß, ist ein Korrespondieren nach Portugal für mich aus­

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