tuendem Grün umgebenen Heim! Aber jetzt war keine Zeit für solche Betrachtungen, schon hieß es: Rasch aussteigen und in einer Reihe aufstellen! Jeder erhielt ein kleines grünes Zettelchen mit einer schwarz aufgedruckten Zahl, wie eine Garderobennummer im Theater, ging es mir durch den Kopf. Heilbronner bekam Nr. 273, ich Nr. 274, die angrenzenden beiden Nummern bekamen Altschülers. Dann ertönte der Befehl: Nacheinander im Gänsemarsch in die Baracke zur Prüfung durch die Gestapo . Hinter einer durch Tische gebildeten Schranke saß ein Mann, der mich kurz anwies: ,, Handtasche ausschütten." Ich kehrte den In­halt meiner Tasche vor ihm auf den Tisch. Er ergriff zu­nächst meine Kennkarte und legte sie auf einen Stapel schon vorhandener. ,, Wo sind Ihre übrigen Papiere? Ge­burts- und Heiratsurkunde, Auswanderungspapiere?" ,, Die habe ich vernichtet", erklärte ich. ,, Wie kommen Sie da­zu?" fuhr er mich an. ,, Sie erschienen mir völlig über­flüssig für die Deportation zu sein, erwiderte ich ruhig. In Wirklichkeit hatte ich sie in treuen Händen zurückge­lassen, ich wußte, daß sie hier nur vernichtet werden wür­den. Er griff zu den wenigen Photos, die ich besaẞ, je eins von Dir und unseren Kindern. Rrratsch! Er hatte sie mit­ten durchgerissen und warf sie hinter sich. Eine heiße Welle von Wut und Empörung durchflutete mich. Aber schnell nahm ich mich zusammen; es lohnte sich nicht, ihm zu zeigen, wie tief er mich mit dieser Handlung getroffen hatte. Er öffnete mein Portemonnaie, das einige Münzen enthielt. ,, Wo ist Ihr übriges Geld?" fragte er barsch. ,, Ich besitze nicht mehr", antwortete ich. Ich machte mich daran, den übrigen Inhalt meiner Tasche wieder einzupacken, aber eine Handbewegung von ihm hinderte mich. ,, Nichts da, weitergehen, der Nächste", brüllte er. Ich kam in den an­stoßenden Raum. ,, Ihren Kofferschlüssel", forderte kurz ein anderer Beamter. Ich wies nach hinten. ,, Liegt nebenan auf dem Tisch." ,, Weitergehen, rief er mir zu. ,, Frauen rechts!" Ich kam in einen Raum, wo zwei Frauen an einem

160