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men mit dem Küchenzettel für die kommende Woche, den ich zu machen habe.

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Die neue Fahrverfügung hat für unser Heim eine sehr unangenehme Folge, noch unangenehmer wirkt sie sich auf unsere den Jahren nach alten Insassen aus: Es müssen Ver­schiebungen stattfinden, da die Arbeitswege von Milberts­ hofen aus entsetzlich weit sind und es von dort keine Mög­lichkeit gibt, die Eisenbahn zu benutzen, während Berg a. L. eine kleine Haltestelle der Eisenbahn hat. Also müssen die Alten und Arbeitsunfähigen zum größten Teil in das Ba­rackenlager nach Milbertshofen , die bisher dort wohnenden Arbeitenden zu uns in die Heimanlage. Unsere alten Leute tun mir sehr leid dabei. So schwer es ihnen zuerst wurde, sich bei uns einzugewöhnen, so gut ist ihnen das im allge­meinen allmählich gelungen, und die Trennung fällt ihnen nicht leicht. Hinzu kommt, daß sie sich vor dem Wohnen in den Baracken jetzt, im Angesicht des nahenden Winters, besonders fürchten. Auch mir wird der Abschied von jedem einzelnen schwer. Viele von ihnen haben brav im Haus und in der Küche gearbeitet, und ich weiß noch nicht, wie ich ihre Arbeit auf andere verteilen kann.

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Ich hatte gefürchtet, unter den nach Milbertshofen Ver­setzten würde auch ein Mann sein, von dem ich Dir noch genauer erzählen will. Es handelt sich um den Professor Coßmann, der bis Mitte September in Ebenhausen wohnte und seitdem bei uns ist. Er ist ein über Siebzigjähriger; mittelgroß, sehr schmal, mit einem wunderbar durch­geistigten Gesicht. Die ersten Tage merkte man kaum etwas von seiner Anwesenheit, so still und für sich hat er sich ge­halten. Er ist tief innerlich fromm, katholisch; aus seinem Gesicht und aus seinen Augen strahlen Güte und Weisheit. Er hatte und hat keine Klage über die plötzliche und radi­kale Aenderung seines Lebens, er findet für jeden, der un­mutig, traurig oder ärgerlich über irgend etwas ist, ein gutes beschwichtigendes Wort. Ohne daß man viel von ihm sieht oder gar hört, spüren wir vier in der Leitung seinen

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