und tut für sie, was sie kann. Sie hängen aber auch alle an ihr. Dabei ist die Führung des Heims sehr viel schwieriger geworden, weil man auch hier Arbeitskräfte für Fabrik­arbeit freigeben mußte, und weil die Allgemeinversorgung mit Lebensmitteln sehr wenig gut ist. Sie kommen sowohl was die Qualität, als auch was die Quantität anbelangt, sehr viel schlechter weg, als wenn sie für die einzelnen die Le­bensmittelkarten hätten.

Mittwoch früh fuhr ich nun zum ersten Mal nach Loh­hof. Ich mußte kurz nach sechs Uhr aus dem Hause. Schon am Bahnhof traf ich eine ganze Menge junger Mädchen, die gleichfalls in der Flachsfabrik arbeiteten. Etwas nach sieben Uhr waren wir in Lohhof. Bis zur Fabrik läuft man etwa zehn Minuten. Alle Gebäude der Fabrik und das ganze recht ausgedehnte Gelände machen einen sehr ver­wahrlosten Eindruck. Ich wurde mit meinem Schein vom Arbeitsamt zuerst in das Büro geschickt. ,, Ziehen Sie sich zur Arbeit um und wenden Sie sich an den Aufseher X.", wurde mir kurz bedeutet. In der Kleiderkammer der jü­dischen Gemeinde hatte man mich mit Arbeitskleid, gro­Bem Strohhut und Sandalen versorgt. Der Umkleideraum war häßlich und ungepflegt, immer zwei zusammen hatten einen Militärschrank, in dem sie ihre Sachen aufbewahren konnten. Vor der Tür dieser Baracke stand ein Aufseher, der zu raschem Fertigwerden drängte. Ich wandte mich an ihn und fragte nach Herrn X., der mir die Arbeit zuteilen sollte. ,, Der bin ich selbst", sagte er kurz ,,, wie alt sind Sie?" ,, Ich bin fünfzig Jahre alt." ,, Was denkt sich eigent­lich das Arbeitsamt, daß es uns so Alte schickt", murmelte er, worauf ich lächelnd entgegnete, daß ich dazu nichts sagen könnte. ,, Ich werde Sie zum Flachssortieren an der Bündelmaschine einteilen." Wir durchschritten etwa fünf Minuten lang ein großes, ebenes Gelände, auf einer ausge­tretenen Straße, zu deren beiden Seiten sich in unregel­von Flachs­mäßigen Abständen häusergroße Haufen bündeln, hin und wieder auch nach einer Seite offene

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