gerade zum Frühstück setzen wir waren wieder zu viert, Peter und Hanna hatten wir Anfang September infolge der Kriegsgerüchte und unserer geplanten Auswanderung von Groß-Breesen kommen lassen, als es klingelte. Unser guter Bürgermeister stand draußen, schwitzend vor Ver- legenheit.Die Kreisleitung der Partei hat mich angerufen und beauftragt, Ihnen zu sagen, Sie müßten innerhalb von. drei Stunden von hier fort. Wir beide standen wie ver- steinert. Ich faßte mich zuerst.Aber wo sollen wir hin? fragte ich ratlos.Das weiß ich auch nicht, sagte er hilflos,ich hoffe, es ist nur für kurze Zeit. Wissen S wegen der Ermordung des Herrn von Rath in Paris soll es sein. Machen S Eahna keine Sorgen wegen Ihrer Sachen hier, ich steh Eahna dafür, daß Sie alles so wiederfinden, wie Sie es verlassen. Nehmen S halt nur das mit, was S für a paar Tag brauchen. Er ging. Wir riefen die Kinder und sagten ihnen Bescheid. Das Frühstück wurde: kaum angerührt, dann machte ich mich mit Hanna, unserer Jüngsten, an ein schnelles Aufräumen und packte in zwei kleinen Koffern die nötigsten Sachen für uns vier. Du sahest inzwischen Briefe und Papiere nach und verbrann- test mit Peter alles Überflüssige. Die von der Staatsbiblio- thek entliehenen Bücher brachte ich ins Obergeschoß in die Wohnung der Mitmieterin, die gerade verreist war und mir die Schlüssel übergeben hatte. Wir waren übereinge- kommen, nach München zu fahren. In einem solchen Fäll erschien uns die Großstadt sicherer als irgendein kleiner Ort. Wir stellten uns vor, daß wir in irgendeiner der vielen Pensionen eine vorübergehende Unterkunft finden würden, denn wir kannten in München nur den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde, eben meinen verehrten Herrn Oberst- landesgerichtsrat Neumeyer mit seiner Frau, deren Sohn auch eine Zeitlang in Groß-Breesen war. Durch sie hatten wir Hausgenossen von ihnen, einen Maler mit seiner Frau, Franz und Helene Hecht, kennengelernt, die eine Zeitlang im vergangenen Sommer unsere Gäste gewesen, und mit

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