Leben waren, wer verhaftet war, noch was die Verhafteten, ob fie nun noch am Leben waren oder nicht, ausgefagt ha ben mochten. Diefe Ungewißheit war quälend; denn jeder mann wird verftehen, daß ich nicht die geringfte Freiheit empfand, fie in irgend einer Sache preiszugeben, ich konnte und wollte nicht für Andere Geftändniffe ablegen und würde es nie getan haben.
Was mich felbft betraf, fo habe ich eine ganz einfache Methode befolgt, die fich bewährte: ich habe mich darauf beschränkt, nur die geftellten Fragen im engften Sinne zu beantworten, was ich aber antwortete, entſprach völlig der Wahrheit. Mir war ganz klar, daß ich, wenn ich schon als Pfarrer und in diefem Sinne um des Evangeliums willen in die Fänge der Geftapo geraten war, nicht mit Unwahrheiten umgehen konnte. Diefer Grundfatz aber war, fobald es fich um Andere handelte, nicht immer einfach durchzuführen; dadurch, daß ich in folchen Fällen mit der Antwort zögerte, habe ich immer den befonderen Zorn meines Vernehmers hervorgerufen. Es war verſtändlich, daß die Geftapo für folche Sorte Ritter lichkeit keinen Raum laffen konnte. So habe ich denn in den Fragen, die Andere betrafen, faft mehr als in eigenen An gelegenheiten die dämonifche Zielficherheit diefer Frage kunft zu spüren bekommen. Es war eine dämonische Kunft. Aber dämoniſch war fie auch infofern, als fie nicht nur von einer vernichtenden Intelligenz, fondern auch von einer ganz unvermuteten gefegneten Torheit war. Es war eine Kunft mit einem blinden Fleck im Auge. An der Fragetechnik die fes unter feinen Genoffen berühmten Interrogators wurde deutlich, daß der Hinterhältige die Wahrheit zuzeiten gar nicht fehen kann. Seine raffinierte, fcheinbar völlig unents rinnbare Vernehmungsmethodik hatte einen ganz elemen taren, fchwerwiegenden Mangel: die Voreingenommenheit.
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