Unsere Befreiung
In den ersten Apriltagen haben die Spitzen der 3. ame rikanischen Armee Gotha , ungefähr 50 km Luftlinie von Buchenwald entfernt, erreicht. Bei der Schnelligkeit des amerikanischen Vormarsches konnten wir mit unserer Befreiung in ein, zwei oder drei Tagen rechnen. Auch die Lagerführung schien die Situation so einzuschätzen. Am Montag, dem 2. April, sprach der SS - Kommandant zu den Lagerfunktionskräften der Häftlinge. Er ermahnte nochmals zur Disziplin und versprach die ordnungsgemäße Übergabe des Lagers ån die Amerikaner. Für uns tauchte die Frage auf: Sollte diese Rede eine Einschläferung der Wachsamkeit der Häftlinge zum Ziel haben oder spielte tatsächlich der SS- Oberführer Pister mit dem Gedanken, durch die Übergabe des Lagers sein Leben zu retten?
Dann folgten Dienstag, Mittwoch, Donnerstag voller Spannung. Die widersprechendsten Parolen schwirrten im Lager herum. Die langersehnten Amerikaner trafen nicht ein. Sie standen den Meldungen nach immer noch bei Gotha . Wohl hatten wir Tag und Nacht Fliegeralarm, hörten die Detonationen, sahen Einschläge, Rauchfahnen und Brände. Die Entfernungen waren aber immer noch zu weit, als daß wir mit einem unmittelbaren Angriff rechnen konnten. Das Dröhnen der Artillerie- Abschüsse war eine alltägliche Erscheinung. Jedoch die Ursache für den plötzlich verlangsamten Vormarsch der Amerikaner konnten wir uns nicht erklären. Wir wußten nicht, lag das an einem stärkeren deutschen Widerstand oder hatten die Amerikaner Nachschubsorgen.
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