den Augen der Nachfolgenden, die ebenfalls erschossen wurden. Unter ihnen war eine junge Jüdin, vielleicht 18 bis 20 Jahre alt. Bildschön, wie aus Marmor gemeißelt. Die junge Jüdin liebte das Leben, sie wollte nicht sterben. Statt nach dem Rand der Schlucht, lief sie vor die Front des SS- Sonderkommandos, auf die Maschinengewehre zu. Sie flehte und bettelte:, Laßt mich leben, seid nicht so grausam, ich will nicht sterben. Sie warf sich zu Boden und rief:, Ihr könnt mich alle gebrauchen, ihr könnt alles von mir haben, aber laßt mich leben. Nicht schießen, nicht schießen, ich bin ja noch so jung!' Die Todesangst trieb sie zu dem Unmöglichsten.

Die Scharfschützen wurden unschlüssig und wußten nicht, was sie tun sollten. So dauerte dieser Auftritt einige Minuten. Alles schaute auf das Mädchen, das dem Tod zu entrinnen versuchte. Todesstille. Da trat ein Offi­zier aus den Reihen des Sonderkommandos und ging auf das Mädchen zu. Sie blickte zu ihm auf, und ihr Gesichts­ausdruck war voller Hoffnung. Der Offizier nahm sie liebevoll in seine Arme. Folgende Worte sprach er zu ihr: , Du bist Jüdin und wir haben Befehl, alle Juden zu liqui­dieren. Wie soll ich dich retten?'

, Rette mich, laß mich nicht erschießen, rette mich!' war ihre flehende Antwort.

, Ja, und wenn ich dich zu retten versuchte, wird man uns beide erschießen. Komm, steh auf! Gehen wir!' Alle, die es sahen, waren voller Spannung. Was wird er tun?

Er ging mit ihr ein Stück aus der Schußrichtung der MG.s. Zärtlich legte er seinen Arm um ihre Hüfte. Sie schmiegte sich an ihn, fühlte sich geborgen und glaubte, er sei ihr Retter. Dankbar schaute sie mit tränenden Augen zu ihm herauf. Sekunden vergingen. Mitten in diese Stille fiel ein Schuß. Das junge Mädchen sank neben dem Offizier zusammen und entglitt seinem Arm. Sie war tot. Ihr Leben ward ausgelöscht in dem Augenblick, in dem sie glaubte, es gerettet zu haben.

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