Kamerad, sei so gut und töte mich!
Transporte kamen und gingen bei uns in Buchenwald fast jeden Tag. Sie waren keine Sensation mehr. Sie gehörten zum gewohnten Ablauf der Dinge. In diesem Zusammenhang dürften lediglich die Krankentransporte interessieren. Das waren Häftlinge, die auf den Außenkommandos durch die überschwere Arbeit und das Hetztempo körperlich heruntergekommen waren und die, wenn sie sich bei uns im Stammlager Buchenwald nicht rechtzeitig erholten, bei nächster Gelegenheit zur Vergasung nach Auschwitz verfrachtet wurden. Bei Aufnahme und Unterbringung dieser Häftlinge spielten sich die gräẞlichsten und unangenehmsten Szenen ab. In Massen lagen sie auf dem Erdboden herum. Voller Schmutz und Wunden, abgemagert zu Skeletten. Selbst Menschen mit außergewöhnlich starken Nerven kostete es oftmals innere Überwindung, diese Menschen anzufassen und ihnen helfend zur Seite zu stehen. So manche unter den Todgeweihten dieser Krankentransporte lagen mit aufgeschnittenen Handgelenken blutend zwischen den übrigen. Ihnen war es gelungen, sich noch eine Rasierklinge, ein Rasiermesser, ein altes Taschenmesser oder einen Glasscherben zu verschaffen. Damit wollten sie sich durch einen Pulsaderschnitt dieses elenden Lebens entledigen. Aber selbst dafür reichte ihre Kraft nicht mehr aus. Sie wurden gezwungen, dieses Dahinsiechen gegen ihren Willen bis zuletzt zu ertragen. Mit aufgeschnittenen Handgelenken lagen sie nun da, ohne die Pulsader getroffen zu haben. Jeden von uns Vorübergehenden bettelten
sie an:
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,, Kamerad, sei so gut und töte mich!"


