Die alte Küche

Stelle dir eine mittelgroße Bretterbude vor. Stückweise betoniert. Eine stillgelegte Wasserleitung läuft hindurch und einige Waschbecken, in denen früher die Kartoffeln und anderes gesäubert wurden, gibt es da. Auf diesen naẞkalten Betonboden, in den vermoderten Ecken, überall lagen kreuz und quer, ja sogar übereinander, gefesselte Menschen. Der eine war mit Stricken, der andere mit Draht, der nächste mit Seilen aus Lumpen gefesselt. Viele von ihnen hatten Schaum vorm Mund, andere stier­ten schreckenerregend und abweisend jeden Ankömmling entgegen. Einer rief wiederholt: ,, Minna, du sollst mir sofort das Essen bringen, aber sofort! Wo bleibst du bloß, Minna? Nun mach schon!" Einige waren mit allen Kräften tierisch keuchend daran, sich aus ihrer Fesselung zu befreien. Sie machten den Eindruck, daß sie uns nach Erreichung ihres Zieles sofort anspringen und umbrin­gen wollten. Einer, der nicht mehr auf die Füße kam, von uns unbemerkt herangekrochen und machte plötzlich den Versuch, uns in die Beine zu beißen und zu Fall zu bringen. Ich fragte einen jüdischen Arzt, der als Gefangner die Aufsicht hatte, was das für Menschen wären. Kurz und lakonisch war seine Antwort: ,, Denen sind die Nerven durchgegangen!" Also übergeschnappt. Verrückt! Ist das ein Wunder? Nein, in dieser furcht­baren Atmosphäre bleibt so etwas nicht aus. Vorgestern waren sie Familienväter, Abteilungsleiter, Unternehmer und vieles andere. Gestern waren sie unter den ungewöhn­lichsten Verhältnissen Gefangne. Und heute waren sie

war

-

40

40