Wittenberge wiedertraf. Fritz ging an seine neue Aufgabe mit dem Stolz auf eine Auszeichnung, die er ausschließlich sich selber verdankte. Er hatte es fertiggebracht, einen ,, Musterblock" aufzuziehen, zu dem hauptsächlich Polen gehörten, und zwar hatte er das nicht etwa durch wilde Drill­methoden erreicht, sondern durch die Anwendung völliger Gerechtigkeit und zwar im friedlichen Umgang mit allen denen, die guten Willen zeigten, und mit Strenge gegenüber denen, die die geltenden. Begriffe von Toleranz und Achtung vor dem Leben anderer mit Füßen zu treten versuchten. Das gleiche Ergebnis wollte er auch in Block 9 erreichen und kümmerte sich dabei nicht im geringsten um die Eigenliebe, die Habgier und die Machtgelüste der deutschen Häftlinge, indem er auch für die Dutzende von holländischen und bel­gischen Gefangenen, die unter seiner Aufsicht standen, gleiche Rechte und gleiche Behandlung einführte.

Das klingt ganz selbstverständlich und sieht gar nicht so aus, als sei es ein größeres Verdienst als reine Pflichterfüllung, aber unter den Verhältnissen des Lagerlebens mit seiner ständigen Demoralisierung der holländischen, flämischen und wallonischen jungen Kerle, denen der stärkende und tröstende Rückhalt an der eigenen Umgebung fehlte, und der gleich­zeitigen, frechen Anmaßung der deutschen Lagerveteranen, die besondere Vorrechte verlangten und zuweilen auch er­zwingen konnten, unter diesen Umständen waren die Be­mühungen von Wulf um die Anwendung ehrlich gemeinter kommunistischer und internationalistischer Grundsätze eine Aufgabe für Männer von ganz besonderem Format.

Er hätte es sich unvergleichlich viel leichter machen. können und hätte im Rahmen des Erlaubten seinem eigenen Vorteil viel besser gedient, wenn er an das Lagerleben we­niger den Maßstab einer unbedingten Gerechtigkeit angelegt hätte, sondern sich der Unterstützung der ,, Alten", der ,, Kapos", Vorarbeiter und anderer zukünftiger Prominenten versichert hätte, die in seinem Block untergebracht waren, indem er ihre durch Gewohnheitsrecht sanktionierten Privi­legien anerkannte. Aber für ihn stand der Mensch und das Leben der Menschen, selbst das der Ausländer, so sehr an der Spitze der Rangordnung aller Dinge, daß er nicht die geringste Beeinträchtigung oder Erschütterung dieser Stel­lung duldete, es sei denn, daß eine Beeinträchtigung des Lebensrechtes der anderen eine Bestrafung notwendig machte.

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