erträglichen Arbeit unter Dach und Fach zu den Außen- kommandos in Regen, Wind und ewigem.Schlamm. Es war der Auftakt zu einer neuen Vernichtungswelle entsprechend dem geflügelten Wort aus Sachsenhausen:„Ihr seid hier nicht in einem Konzentrationslager, ihr seid in einem Vernichtungs- lager.‘
„Wie soll ich bloß krank werden?“ fragte ich Hein.
Hein war um eine Antwort nicht verlegen. Das gehörte zum geistigen Gesicht der Elite unter den Lagerinsassen. Sie wissen immer, was zu tun ist, oder sie sehen jedenfalls so aus, als wüßten sie es. Wo das Wissen fehlt, tritt eben der Anschein von geheimen Kenntnissen an seine Stelle, gerade so, wie es dort Aberglauben zu geben pflegt, wo der wirkliche Glaube fehlt. Aber Hein wußte tatsächlich mehr als andere Häftlinge, und obwohl seine angeborene Menschenkenntnis und seine lange, lange Lagererfahrung noch nicht ausreichten, ihn auf den Wellen seiner Ueberlegenheit über die Grenzen des Sklavendaseins hinwegsegeln zu lassen oder ihn auch nur in die häufig wechselnde Aristokratenklasse der ersten Diener der SS -Schreckensherrschaft einzureihen, so verdiente Hein doch blindes Vertrauen. Und ich war gern bereit, ihm dieses Vertrauen entgegenzubringen.
„Du schluckst ein ordentliches Stück Kautabak hinunter“, sagte Hein mit der Bestimmtheit eines Orakels.„Das ist ein saumäßiges Gefühl. Du wirst todkrank davon, siehst blaß aus und bekommst Fieber, Dein Herz klopft wild, und Du bekommst eine märchenhaft hohe Temperatur. Aber Dir passiert nichts. Und’ niemand kann feststellen, was Dir eigentlich fehlt.“
Er hatte dieses Mittel selbst im Moorlager Esterwegen ausprobiert und hatte dabei geglaubt, daß sein letztes Stünd-
lein geschlagen hätte.—„Aber dir passiert nichts!“— Im übrigen würde er seinen„Beziehungen“— das Zauberwort der Lagerelite!— die er im„Revier“ hatte, die nötigen Winke
geben. Auf diese Weise würde schon alles„klappen“. Im übrigen sollte ich schweigen wie das Grab. Wieder eins der Wundermittel der Scheingelehrsamkeit im Lager, in dem jedoch tiefe Weisheit verborgen war.
Ich war enttäuscht. Und das trotz meines blinden Zutrauens zu Hein. Wie sollte das Herunterschlucken einer Rolle Kautabak bei mir solche herrlichen Symptome hervorbringen, wie Hein sie bei sich selbst hervorgezaubert hatte! Die Hälfte
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