,, Aber wie soll ich denn krank werden?"

Als ich im September 1941 vom Elbe - Kommando in die Kartoffelschälküche geschickt wurde, war auch Krankheit der Grund gewesen. Aber diese Krankheit entsprach auch der ,, Umwertung aller Werte" in einem Konzentrationslager. Mit weniger als 39 Grad Fieber kam man nicht auf die Kranken­station. Jeden, der sich meldete, sah man erst als Drückeberger an und wies ihn schroff ab. Mitleid gab es einfach nicht, man mochte noch so leichenblaẞ aussehen oder wie ein mit Haut überzogenes Skelett wirken. Mit zitternden Gliedern, den ganzen Körper mit Schwären und Eiterbeulen bedeckt, wurde man in Regen und Schlamm zur Arbeit getrieben. Ausnahmen gab es nur, wenn durch Zufall viele Gefangene in andere Lager versetzt worden waren und die vielen frei gewordenen Plätze die Anzahl der Sanitäter im Revier nicht mehr zu rechtfertigen schienen; dann konnte man wegen einer Kleinig­keit ins Bett gesteckt werden und so lange darin bleiben, bis schließlich sogar die Pflege im Revier zur Qual wurde. Köbes, der damalige Lagerälteste, der mir helfen wollte vielleicht als Anerkennung für einen kleinen Gedankenaustausch kurz nach meiner Ankunft im Lager und vielleicht auch wegen der Möglichkeit, daß meine erstaunlichen Erfahrungen irgend­wie durch die Kanäle der öffentlichen Meinung in Westeuropa dringen könnten stellte fest, daß ich an Herzschwäche litt. Auf solch einen Befund war ich im Hinblick auf die Ueber­beanspruchung meiner ungeübten Knochen durch die schwere körperliche Arbeit auch aufs beste vorbereitet. So erwirkte er wenigstens Schonung für mich, wenn schon nicht die erstrebte ,, Arbeitsunfähigkeit", die mir meine mangelnde Gewöhnung und Eignung allein nicht verschaffen konnten. Aber jetzt, um Ostern 1942, wehte der Wind aus einer anderen Richtung. Anstelle der zeitweiligen Ruhe, die während der ersten Monate meines Aufenthalts geherrscht hatte Deutschland siegte an allen Fronten und hatte den Krieg mit Amerika noch nicht im Magen rauschte jetzt der Sturm ,.der nationalsozialistischen Schulung" über die ,, verweich­lichten" Häftlinge, die infolge der Typhus - Epidemie ein paar Monate in ihren Baracken eingesperrt gewesen waren. Die Brotrationen wurden gekürzt, und die abendliche Suppe wurde noch dünner. Alle, die noch nicht ganz zum Wrack geworden und deren Glieder nicht ganz offensichtlich durch den Typhus geschwächt waren, kamen von ihrer noch einigermaßen

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