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Hause geschickt bekam, gegen die Protektion oder das Brot von Mitgefangenen zu vertauschen, die als leidenschaftliche Raucher galten und irgendeine. bevorzugte Stellung inne­hatten. Wenn man es gar nicht ohne den Geruch des Tabaks oder den tiefen Lungenzug aushielt, dann konnte man schließlich auch seine Rolle Priem kleinschneiden, waschen, trocknen und sich daraus eine würzige Zigarette drehen oder eine genüßliche Pfeife stopfen. Sogar zu doppelter Anwendung gab sich der Priem großzügig her; man konnte ihn ein paar Stunden kauen und ihn dann für die Pfeife trocknen. Das war natürlich eine Methode, die nur für solche Leute Reiz haben konnte, die unter dem Zwang der Notwendigkeit Fanatiker der Autarkie geworden waren und aus nichts etwas zu machen verstanden. Auch hierbei verleugnete die mensch­liche Natur das ihr angeborene Talent nicht, für alle Bedürfnisse Befriedigung zu finden und trotz, ja durch ihre Armut reich zu werden. Je ungünstiger die Lebensbedingungen sind, desto größer ist der Genuß, den die Befriedigung der elementarsten Bedürfnisse gewährt. Je dringender das Bedürfnis, desto leidenschaftlicher ist auch die Genugtuung, und jede solche Befriedigung wird immer mehr zum Luxus, je drückender die Armut wird.

Im Tauschhandel war der Tabak geradezu Gold wert. Vom Standpunkt des Besitzers gesehen, war er auch genau so schwer zu verwahren. Man mußte ihn sicher unterbringen, und dafür standen einem keine Banktresore, geschweige denn Kühlräume zur Verfügung, so daß er nicht nur völlig aus­trocknen, sondern vor allem auch gestohlen werden konnte, zu jeder Tages- und Nachtzeit, aus allen möglichen Ecken und Löchern, überhaupt aus jedem Versteck, das man aus­findig machen mochte. Wenn es in der Kantine genug Priem zu kaufen gab, und das kam gelegentlich vor, je nach Laune und Gutdünken der unberechenbaren Lagerleitung, die im Einklang mit dem Geist eines Konzentrationslagers niemals und nirgends ruhige Ordnung oder friedliche Regelmäßigkeit walten ließ, dann war das Angebot zu groß, und die Rolle sank beträchtlich im Preise. Aber ebenso oft gab es Aufgeld, vor allem, wenn die Kantinenvorräte nicht ausreichten oder wenn der Nachschub an Kautabak einmal aus staatspolitischen Gründen, nämlich um die Häftlinge zu quälen und zu schikanieren, aufhörte. Dann war der Tabak eine recht gute Kapitalsanlage und kluge Leute wußten sich das zunutze