angeboten hätte, dann hätte ich wahrscheinlich an einen schlechten Witz gedacht, womöglich gar an einen Versuch, mich zu vergiften. Aber Anton sah ganz vertrauenswürdig aus, und seinen traurig-niedergeschlagenen Augen sah man zwar die Fähigkeit an, Schläge und Stöße zu vertragen, aber hinter ihnen verbarg sich bestimmt keine von den Nieder- trächtigkeiten, aus denen sich das tägliche Leben der übrigen Lagerinsassen zusammensetzte.
Ich nahm den Priem dankend an, und das scharfe bittere Röllchen zwischen den Zähnen schmeckte mir recht gut. Das war meine erste Bekanntschaft mit dem Priem und zugleich der Beginn einer treuen Kameradschaft. Kein einziger irdischer Genuß hat mir während meines langjährigen Sklavendaseins so viel Freude‘ gegeben wie der Kautabak, und es gab wenig Häftlinge, die mehr darauf versessen waren als ich, immer ihren Priem in der Tasche zu haben. Die guten Eigenschaften dieser kleinen schwarzen Röllchen erwiesen sich als unvermutet vielseitig. Kautabak löscht zwar den Durst nicht, aber er mildert etwas den quälenden Drang nach der Flüssigkeit;.er stillt zwar den Hunger nicht, aber er betäubt den knurrenden Magen etwas. Wenn, man ihn nach einem Stück Brot zu sich nimmt, fördert er die Verdauung und ersetzt den Nachtisch. Wenn man abends todmüde auf seinen Strohsack sinkt, versüßt er den Uebergang ins Nebelreich der Träume, etwa ebenso wie ein Schnaps den Trinker sanft hinüberduseln läßt. Er lindert die Zahnschmerzen und genießt den Ruf, Mund und Rachen gründlich zu desinfizieren, er er- setzt sogar in hohem Maße den Genuß von etwas Rauchbarem.
Ich war gewohnt, vom Frühstück bis zum'Schlafengehen zu rauchen, den ganzen Tag lang, und mit Vorliebe Brasil- zigarren. In den ersten Monaten meiner Gefangenschaft quälte es mich am schwersten, daß ich darauf verzichten mußte. Mein Körper war zu sehr an das Nikotin gewöhnt, und wie leicht diese Gewohnheit zur zweiten Natur werden kann, geht am besten daraus hervor, daß viele Gefangene aller Länder lieber verhungert wären, als daß sie auf das bißchen Freude ver- zichtet hätten, das ihnen das Rauchen verschaffen: konnte, wie kümmerlich und heimlich sie es sich auch auf der Latrine oder unter der Decke auf dem Strohsack erschleichen mußten.
Das Priemen machte es mir leichter, auf das Rauchen zu verzichten und das bißchen Rauchtabak, das ich in der Kantine kaufen konnte oder später, etwa seit 1943, von zu
47


