III

UNTER DER GEISSEL VON HUNGER UND

VERKOMMENHEIT

Gleich am Anfang hatte mich Jaak Nooter, der Kommunist aus Amsterdam gewarnt: ,, Mensch, denk immer daran, daß es hier Leute gibt, die imstande sind, um ein Stück Brot einen Mord zu begehen!" Ungezählte Dramen haben sich um ein ein­ziges Stück Brot abgespielt. Nicht einmal den kleinen Schrän­ken in der Unterkunft konnte man es anvertrauen, es wäre im Handumdrehen verschwunden gewesen. Man konnte es nicht mit zur Arbeit nehmen, es wäre einem aus der Jacke oder dem Brotbeutel gestohlen worden. Man konnte es nicht in seinem Strohsack verbergen, den hätte man nachts ausge­räumt. Ein unbewachter Augenblick genügte, und der Verlust war unersetzlich. Selbst bei Tisch, wenn man eng aneinander gequetscht, manchmal zu zweit auf einem Schemel, neben­einander saß, war man nicht sicher. Es gab Kerle, die mit der Behendigkeit eines Zauberers ein Stück Brot unter der Tisch­platte festzukleben wußten oder es unbeobachtet im Gewühl verschwinden ließen. Es gab dann immer ein Jammergeschrei und böse Auseinandersetzungen, in der Regel obendrein eine blutige Schlägerei.

Kein Schatz konnte schärfer mit der Aufmerksamkeit eines Polizeihundes bewacht, keinem aber auch mit mehr Arglist und tierischer Verschlagenheit nachgestellt werden. Wenn man seine Brotration wirklich selber essen wollte, dann gab es nur ein Mittel, man muẞte es gleich tun. Aber dazu hatte man nur zu oft keine Zeit. Manchmal mußte man, unmittel­bar, nachdem man seine Brotration empfangen hatte, zum Arbeitsdienst, manchmal fand man auch buchstäblich keinen Platz, weder im Stehen noch im Sitzen, um seine magere Tagesration zu verdrücken. Und wehe dem, der aus Nach­lässigkeit oder gezwungenermaßen seinen wertvollen Happen

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