Miesicke steht mit dem Gesicht an der Wand neben dem Eingang zur Wachtstube. Er ist ganz allein auf dem Korridor. In der Wachtstube wird laut gesprochen und gelacht. Was kann der Kommandant von ihm wollen? Wenn sie nun doch von draußen etwas unternommen hätten? Fast drei Wochen ist er in Haft. Drei Wochen hat er keine Nachricht von seiner Frau. In diesen drei Wochen hat sich keiner, nicht einmal die Staatspolizei, nicht einmal das KzbV, um ihn gekümmert. Und nun will ihn plötzlich der Kommandant vernehmen.
Ach, Miesicke ist ein unverbesserlicher Optimist. Ein ganz klein wenig hofft er, hofft er Gutes. Mußte sich nicht eines Tages doch seine völlige Unschuld erweisen?
Wachtmeister Nuẞbeck tritt aus der Wachtstube. Er sieht am Eingang Miesicke stehen, stemmt die Arme in die Hüften und brüllt:
,, Willst du dreckiges Schwein dich gefälligst mindestens drei Meter von der Tür weg aufstellen! Horchen, was? Spitzeln? Du Bursche!"
Miesicke ist entsetzt einige Schritte zur Seite gesprungen. Unablässig starrt er gegen die gekalkte Korridorwand.
Nußẞbeck geht im Bogen um ihn herum und zischt ihm noch verächtlich zu: ,, Du jüdischer Arschpopel!"
Ob der Zirbes vergessen hat, daß er hier steht? Schließlich wartet der Kommandant. Unruhe ist in Miesicke. Er hofft und fürchtet sich zugleich.
Ein blau uniformierter Wärter und ein Gefangener kommen. Miesicke riskiert einen Seitenblick. Der Gefangene kommt ihm bekannt vor.
,, Stellen Sie sich hier hin! Nein, Sie brauchen sich nicht mit dem Gesicht zur Wand zu stellen!"
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