Die Zweiundsiebzig sind bereits fünfmal um den Hof gelaufen; einige sind am Ende ihrer Kraft, sie torkeln nur noch. Das un­gewohnte Laufen verursacht Stiche in den Seiten, treibt das Blut zu Kopf, schmerzt in den Schenkeln. Wie eine Erlösung wird das Kommando Im- m- m... Schritt!" aufgenommen.

,, Links! Links! Links, zwei, drei, vier!" Langsam sammeln die Ge­fangenen im Marschieren neue Kräfte. Die Lungen pumpen; das Herz hämmert. Links! Links! Links, zwei, drei, vier!... Die Arme ausschlenkern lassen!... Schritt halten!"

Oberscharführer Harms wendet sich plötzlich wieder an Lenzer, der seine langen Schaftstiefel einfettet.

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Wenn sie sagen, das Geld ist knapp, dann aber bitte etwas mehr Gerechtigkeit. Warum muß Dusenschön viermal soviel haben wie unsereiner? Warum schließlich", er dämpft seine Stimme ,,, der Ellernhusen diese phantastische Summe? Was bekommt er? Als Staatsrat tausend Mark monatlich, das ist amtlich. Und was als Standartenführer? Was als Lagerkommandant? Das sieht nicht nach Geldknappheit aus."

,, Du hast ja recht, aber, Menschenskind, sei bloß vorsichtig und sprich nicht so zu jedem. Beispielsweise nicht zu Pöppi. Der haut dich glatt in die Pfanne! Man denkt sich sein Teil, aber man hält die Schnauze. Du kannst doch nicht gegen die da oben an­stinken!"

,, Die sollen aber ihr Gefasel von der allgemeinen Not lassen. Wir müssen uns durchhungern, sagen die, die am Fettnapf sitzen. Das kann ja nicht gut ausgehn. Aber natürlich hast du recht. Na, ich rede derartige Dinge auch nur mit dir und doch nicht mit jedem!"

,, Und dann nimm dich auch vor dem Riedel in acht, der ist das verlängerte Ohr von Dusenschön!"

,, Den Idioten plagen wohl noch immer Gewissensbisse von wegen

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