Noch vor der Essenausgabe kommt Zirbes tatsächlich zu ihm in die Zelle. So sehr sich Koltwitz auch zusammenreißt, er zittert am ganzen Leibe. Wachtmeister Zirbes, ein ehemaliger Boots­mann und Obermaat bei der Kaiserlichen Marine, bis zum 30. Ja­nuar Gastwirt der Nazikneipe Zum Postkeller", ein notorischer Trinker und passionierter Raufbold, schmunzelt zufrieden, wie er den zitternden kranken Menschen vor sich sieht.

,, Na, haben sie dich gestern abend vorgehabt?"

Koltwitz fürchtet Gefahren, fürchtet Fallen, und er antwortet: ,, Nein, Herr Wachtmeister!"

,, Mensch, mach keinen Unsinn! Zieh mal die Hose runter! Los!" Koltwitz zerrt am Gürtel und läßt die Hose fallen.

,, So zeig mal! Dreh dich rum, du Idiot!"

Koltwitz zeigt seinen verunstalteten Körper.

,, Das, mein Lieber", Zirbes grinst ,,, ist künftig deine Dauerfarbe! Wir werden dafür sorgen, daß sie so erhalten bleibt. Wenn sie abzieht, frischen wir sie wieder auf!"

Koltwitz lehnt sich, nachdem Zirbes die Zelle verlassen hat, an das Bett. Er ist glücklich, daß es ohne Mißhandlungen abgegangen ist. Doch das Zittern in ihm läßt nur langsam nach.

Obertruppführer Meisel öffnet die Säle 1 und 2 der Station A 1. Die Stubenältesten schreien: Achtung!" Alle Gefangenen er­heben sich und nehmen stramme Haltung an.

,, Fertigmachen zur Freistunde!"

Sogleich entsteht im Saal ein Riesendurcheinander. Stiefel wer­den hervorgeholt und angezogen, Anstaltshosen übergezogen, die Zuchthauskappen zurechtgelegt, dann kommandiert auch schon der Stubenälteste: Der Größe nach in zwei Gliedern an­getreten, marsch- marsch!"

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