Nach drei Tagen und drei Nächten Dunkelheit wird er unruhig. Wie lange können sie einen Menschen in Dunkelhaft sperren? Drei Tage? Eine Woche? Unmöglich länger. Auf was für bestia­lische Ideen die Menschen kommen... Er reckt sich, preßt die Kiefern aufeinander: Gelobt sei, was hart macht! Gelobt sei, was hart macht. Nur nicht sich unterkriegen lassen.

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wie er es nennt

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Wenn er so in der ewigen Dunkelheit an den Wänden seiner Zelle entlangläuft, dringen in wirrem Durcheinander Gedanken, Erinnerungen, Einfälle auf ihn ein. Die ersten Tage läßt er es ge­schehen, dann aber zwingt er sich zu geordneter Denkweise, zu einem geregelten Geistesleben. Er erteilt sich Aufträge und arbeitet sie auf das gewissenhafteste aus. Die erste Aufgabe, die er sich stellt, ist ein Referat vom Kaiser­wort: Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche, bis zum Hitlerwort: Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch die NSDAP .

Zwei nachtdunkle Tage lang bereitet er sich vor, sammelt in seinem Kopf Material, geschichtliche Begebenheiten, persönliche Erlebnisse, Aussprüche führender Politiker und beginnt dann den Aufbau, teilt sein Referat in die verschiedenen Perioden der Nachkriegszeit ein. Er denkt sich in einen überfüllten Saal mit Funktionären der KPD und SPD , zu denen zu sprechen er den Auftrag hat.

Er redet und redet und redet, von morgens neun bis mittags zwölf, von nachmittags drei bis fünf Uhr. Er ist überzeugt, daß dies der gründlichste und beste Vortrag seines Lebens ge­wesen ist.

Dann jedoch gibt es wieder Stunden, in denen er glaubt, toll zu werden. Jede gedankliche Ablenkung versagt; er läuft mit Wür­gen im Halse durch das Dunkel seiner Zelle und kann die wilden, ungebärdigen Gedanken weder bändigen noch konzentrieren.

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