chen. Ein Mißhandelter wimmert leise im Schlaf. An Miesicke ziehen noch einmal die Vorgänge des vergangenen Tages vor­über. Das schmutzige Kellerloch in der Polizeiwache... Die ekelhafte Sammelzelle im Stadthaus... Die erste Vernehmung durch den Kommissar... Die Verprügelung beim KzbV, diese ihm unfaẞbare, rohe Demütigung... Und der heutige Tag, was wird der bringen? Ach, Miesicke denkt gar nicht mehr an seine Krawatten, an die vierzehnhundert Mark, an Brinkmann, der sein Geld haben will, er lebt in einer neuen Welt, ringt mit neuen Fragen, fürchtet Gefahren, die ihm bisher unbekannt waren. An seine Bella denkt er, in Zorn und Zärtlichkeit. Warum hat sie ihn noch nicht aufgespürt? Warum hat sie noch nicht Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um ihn herauszubekommen? Hin- und hergestoßen zwischen schrecklichen Erinnerungen und bangen Erwartungen, Zweifeln und Hoffnungen, Abscheu und Bewunderung, dämmert Miesicke schließlich in den Schlaf hin­über, den ersten Schlaf nach vierundzwanzig Stunden.

Am Morgen herrscht auf der Polizeistation des Untersuchungs­gefängnisses große Aufregung.

Torsten befühlt seine geschundenen Glieder, schüttelt den schwe­ren, drückenden Schlaf von sich und horcht auf das Gerenne im Korridor und in der Nebenzelle. Er hört nach dem Heilgehilfen rufen und fragt sich, was geschehen ist.

Einige Minuten später kommen zwei Wachtmeister zu Torsten in die Zelle.

,, Es tut uns leid, aber die Staatspolizei hat es angeordnet!" Torsten wird gefesselt, die Hände auf dem Rücken.

,, Es geschieht zu Ihrer eigenen Sicherheit", erklärt der eine Be­amte ,,, damit Sie sich nichts antun! Ihr Zellennachbar, der Tetz­lin, hat sich heute nacht erhängt!"

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