Sketchs aufführen, schmissige, melodische Songs vortragen und. aufrüttelnde, leidenschaftliche Verse deklamieren. Kommunisten sind seltsame Menschen, rätselhafte Menschen, findet Miesicke. Auf den Straßen grölen und krakeelen sie, fallen Polizisten an, verjagen Andersdenkende, und im Gefängnis benehmen sie sich manierlich und kultiviert, rezitieren Klassiker und singen Songs, verhöhnen die Unwissenheit und appellieren an die Vernunft. Ein junger Blondkopf in rotem Sweater spricht, und seine großen, hellen Augen leuchten:

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Wer noch ein Herz besitzt, dem soll's

Im Hasse nur sich rühren.

Allüberall ist dürres Holz,

Um unsere Glut zu schüren.

Die ihr der Freiheit noch verbliebt,

Singt durch die deutschen Straßen: Ihr habet lang genug geliebt,

O lernet endlich hassen!"

Er hat diese Strophe kaum beendet, da kommt aus einem der Feldbetten, in denen die Mißhandelten liegen, der wie im Fieber­wahn ausgestoßene Schrei: Hassen!"

Nur dieser eine Schrei. Aber es ist, als hätten sich in diesen einen Schrei Qual und Haß aller Gemarterten in den Gefängnissen

Deutschlands ergossen.

Den Gefangenen stockt der Atem. Der Geschundene sinkt mit einem Stöhnen aufs Lager zurück. Die fünf brechen ihr Spiel ab. Bänke und Tische werden an ihre Plätze gestellt. Es ist still ge­worden unter den Gefangenen. An diesem Abend werden Karten und Schachfiguren nicht mehr angerührt...

Der Morgen graut. Miesicke wälzt sich immer noch schlaflos auf der Matratze. Neben und um ihn ist lautes Atmen und Schnar­

5*

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