vor kurzem noch das Wohnungsamt untergebracht war. Und nun weiß Miesicke, wo er hingeführt wird: zum Kommando zur be­sonderen Verwendung. Eine lähmende Angst kommt über ihn. Von diesem KzbV sind die haarsträubendsten Dinge erzählt wor­den. Hier sollen Mißhandlungen an der Tagesordnung sein. Hier ist erst vor wenigen Wochen ein Arbeiter aus dem Fenster ge­sprungen und tot auf der Straße liegengeblieben. Hier ist das gefürchtete Zimmer 103. Das Zimmer, wo der eine Arbeiter heute vormittag geschlagen wurde.

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Der SA- Mann blickt höhnisch grinsend auf den zitternden Men­schen. Wichtig wiegt er seinen Revolver in der Hand. ,, Los, los, büschen dalli!" Und Miesicke er taumelt nur noch den Trep­penaufgang hoch. Er hört Grammophonmusik. Wie sie über einen kahlen, verwahrlosten Korridor gehen, blickt er in einige offene Türen. Er sieht große Plakate an den Wänden, Sowjet­fahnen und rote Kranzschleifen. Uniformierte SA- und SS - Leute kommen ihnen entgegen. Mit ihren langschäftigen Stiefeln stampfen sie dröhnend über den Holzboden des Korridors. ,, Wo hast du denn das Schwein aufgegabelt?"

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Von drüben! Kurt will ihn vornehmen!"

,, Kann er sich freuen, Kurt ist gerade in der richtigen Stimmung!" In Miesicke ist eine wahnsinnige Angst. Ihm ist kalt, eiskalt, und doch bricht ihm der Schweiß in großen Tropfen aus der Stirn. Jetzt ist er sicher, er geht seinen letzten Gang, man wird ihn töten. Er fragt sich nicht mehr, warum und weshalb, er hat nur den einen Willen: Leben! Leben! Nicht sterben! Er denkt nicht mehr daran, daß er unschuldig, daß er das Opfer eines unseligen Irrtums ist, er denkt nur immer das eine: Nicht sterben! Leben! Dieses unheimliche, verwahrloste Haus mit den morschen Trep­pen und brüchigen Geländern, den mit Farbe und Dreck ver­schmierten Wänden, den öden Korridoren, den vielen leeren

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