Lager übertragen wurden und die ich noch nicht zur Erledigung bringen konnte. Auch er weiß, daß ich jetzt endgültig ausscheide, so oder so.

In der Nacht ordne ich in den Akten, was noch zu ordnen ist. Das fällt bei den Nachtschreibern und anderen Häftlingen des Reviers nicht auf, denn ich habe häufig genug die Nächte durchgearbeitet. Nur Walter Krämer und Richard Elsner sind im Bilde, und von beiden weiß ich, daß sie schweigen. Ich will nicht, daß mein Abgang im Lager bekannt wird, denn ich weiß, daß sie dann alle kommen würden, die zahlreichen Freunde. Und ich mag das nicht.

Vor dem Morgenappell ruft Hauptscharführer Strippel mich tele­phonisch an. Ich habe so manches Dienstgespräch mit ihm geführt. Er. nannte mich immer: Du lustiger Vogel. Jetzt fragt er mich:

,, Bist du da, du lustiger Vogel?"

,, Jawohl, Herr Hauptscharführer."

دو

, Wann bist du geboren?"

,, Am 6. Januar 1900."

,, Na, dann pack man deine Sachen und sei um acht an der Kleider­kammer. Ich rufe deine Nummer nicht erst durch den Lautsprecher. Es geht nach Muttern!"

Ich gehe zu Walter Krämer: ,, Du, es ist amtlich. Strippel hat mich eben angerufen."

,, Na, dann viel Glück, alter Junge. Schreib mal, wenn du raus bist, damit wir Bescheid wissen, ob's geklappt hat."

Dann verteile ich meine kleinen privaten Utensilien, die ich mir während meiner Lagerzeit ,, organisiert" hatte, mein Feuerzeug, meine Zigarettenspitze, meinen Füllfederhalter, den Füllbleistift, die Geld­börse. Ich vertausche meine guten Schuhe und meinen sauberen Häft­lingsanzug gegen alte Lumpen, denn in der Kleiderkammer brauche ich nur zahlenmäßig eine Garnitur abzuliefern. Und nun noch einen schnel­len Händedruck den Häftlingen, mit denen ich über ein Jahr im Revier zusammen gearbeitet habe.

Noch ist eine knappe Viertelstunde Zeit. Mein Blick geht noch einmal durchs Arztzimmer. Da stehen die Regale mit den verlogenen Toten­berichten, da ist der Schreibtisch mit den Entmannungs- und Sterili­sierungsakten, den politischen Akten und den Mordgiften, hier die Schreibmaschine, auf der ich so viele grauenvolle Dinge und Gesund­heitsatteste am laufenden Band schrieb, und das ganze Zimmer, das mit seinen vier Holzwänden entsetzliche Sachen erlebte.

Ein Häftlingsschreiber kommt ins Zimmer. Er ist ein ruhiger un­gemein stiller Bursche, hat immer fleißig seine Arbeit getan. Ich habe

226