tiges Wort schrieb, wurde immer grausam bestraft. Daß er außerdem für längere Zeit Schreibverbot erhielt, versteht sich am Rande. Häufig genug wurde uns aber auch die Schreiberlaubnis allgemein entzogen, ent­weder, um das Lager zu bestrafen, oder weil die Scharführer auf der Poststelle keine Lust hatten, unsere Briefe und Karten zu zensieren.

Selbstverständlich ging auch die Post, die wir von zu Hause erhielten, durch die Zensur. Auch sie, die von den völlig ahnungslosen Angehörigen geschrieben war, gab zuweilen Anlaß, den Häftling in Strafe zu nehmen. Die Zensoren schnitten alle Sätze, die wir nicht zu Gesicht bekommen sollten, einfach aus den Briefen heraus, so daß es schwer war, festzu­stellen, was wir nach ihrer Ansicht nicht lesen sollten. In der Haupt­sache aber dürfte es sich dabei um Stellen politischen Inhalts, um Ent­lassungsbemühungen der Angehörigen und um Sätze gehandelt haben, hinter denen die SS. - Leute irgendeine chiffrierte Mitteilung vermute­ten. Es kam häufig vor, daß man in seinem Briefumschlag nur zwei Schnippelchen Papier vorfand, auf denen die Anrede und die Unter­schrift des Briefschreibers standen, manchmal auch nur eins von beiden. Auf der anderen Seite kam es aber auch vor, daß Briefe unzensiert ins Lager gelangten. Abgesehen davon, daß das für uns nur ein weiterer Beweis war, welcher Schlendrian in der Lagerverwaltung herrschte, brachten solche unzensierten Briefe zuweilen aufschlußreiche Nachricht von draußen in unser abgeschlossenes Lager.

Daß der Zensur in den Briefen sowohl aus dem Lager als auch in das Lager Schnippchen über Schnippchen geschlagen wurden, liegt auf der Hand. Einige Häftlinge und deren Angehörige hatten dabei ohne vor­herige Verabredung eine derartige Virtuosität entwickelt, daß es kaum eine verbotene Nachricht gab, die nicht übermittelt wurde, und für die Intelligenz der Zensoren war bezeichnend, daß sie häufig Nachrichten durchgehen ließen, die selbst ein einfältiges Gemüt als eine reichlich plump abgefaßte Umschreibung einer verbotenen Nachricht auf den ersten Anhieb erkannte.

Ich hatte mit den Meinen gleichfalls ein System entwickelt und konnte ihnen schließlich genaue Anweisungen geben, welcher Art ihre Bemü­hungen um meine Freilassung sein mußten, obgleich jede Andeutung dieser Art streng verboten war.

,, Denn einmal kommt der Tag, dann sind wir frei!" Diese doppel­sinnige Zeile aus dem Buchenwaldlied war vielleicht der Pol, von dem unsere Gedanken immer und immer wieder am stärksten angezogen wurden. Und selbst dann noch, wenn wir in unseren Gesprächen die fast völlige Aussichtslosigkeit unserer Entlassung feststellten, schwang

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