bazillen, diesen im Dickdarm so gern heimischen und dort völlig harm- losen Spaltpilzen von Stäbchenform, gesehen habe, geht Zahel wortlos hinter mir im Labor auf und ab.

Als ich mich vom Mikroskop erhebe und mit dem Kopf bestätigend nicke, sagt Zahel:Morgen früh lassen Sie von allen Ruhrkranken Untersuchungsproben nehmen. Um 3 Uhr fährt ein Sanka nach Jena .

Das Untersuchungsergebnis von Jena bestätigt, daß im neuen physio- logischen Institut Kolibazillen für{Ruhrbazillen genommen worden waren.

Zahel diktierte mir einen ruhigen, sachlichen Bericht an das Sanitäts- hauptamt in Berlin und teilte dann seinen beiden Kollegen mit, welchen Bericht er nach Berlin absenden werde.

Jedes weitere Wort in dieser Angelegenheit wäre eigentlich über-| flüssig, und nur der Vollständigkeit halber füge ich noch hinzu, daß die f beiden biederen Bakteriologen aus dem physiologischen Institut noch am gleichen Abend mit einigen anderen, diesmal bedeutend zutreffenderen 1 Ergebnissen aufwarteten. Sie hatten sich von den Häftlingspflegern vor- 1 her angeben lassen, welcher Stuhl von Ruhrkranken war und welcher nicht.

Wir hatten nicht mehr nötig, Dr. Zahel von dieser Schiebung zu unterrichten, denn Berlin hielt es für angezeigt, die beiden Bakteriologen zur anderweitigen Verwendung. zurückzukommandieren und andere Ärzte zu schicken.

Unser Rudi aber lag bald darauf auch mit Ruhr schwer danieder, kämpfte wochenlang einen Kampf auf Leben und Tod und ging nur i mit Millimeterschärfe am großen Tor vorbei. Er hatte sich beim Mikro- skopieren infiziert- die beiden Berliner Bakteriologen hatten es nicht getan.

So 7

Seren

In der fünften oder sechsten Woche der Ruhrepidemie das bakterio- ; logische Institut war schon eingerichtet taucht im Lager SS.-Unter- sturmführer Dr. Neumann mit Sondervollmachten auf. Es heißt, daß er aus dem engsten Kreis um den Reichsärzteführer Gerhard Wagner kommt. Auf ihn geht der weitere Ausbau des physiologischen Instituts zurück. Er führt diewissenschaftlichen Experimente an kranken,

künstlich krankgemachten und an gesunden Menschen als System ein. Er ist ein Mann in den dreißiger Jahren, leicht fahrig, sehr von sich ‚eingenommen, ein absoluter Einzelgänger, der selbst mit seinen brutalen SS.-Kollegen keinerlei Verbindung hat,ohne ein hervorstechendes Merk-

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