die weiteren schon leichter, manchmal zwar noch etwas stockend, aber bei weitem doch nicht so schwer abgerungen wie die erste. Er hatte auch im Gegensatz zu allen anderen SS.- Ärzten die Gewohnheit, jedes Schriftstück zunächst durchzulesen. Bei einfachen Meldungen, Bestellungen usw., die offensichtlich keine Fälschungen waren, leistete er seine Unterschrift schnell und bedenkenlos.
Diese Beobachtung veranlaßte mich wiederholt zu dem Experiment, ihm Schriftstücke in vorher wohl geordneter Reihenfolge vorzulegen, denn es reizte mich zu wissen, wie ein Akademiker alter Schule, der vom Nazismus aufgesogen worden war, psychologisch reagierte. Mit der mathematischen Genauigkeit eines Naturgesetzes ereignete es sich ausnahmslos, daß Dr. Blies sich offensichtlich die Unterschrift unter unwahren Schriftstücken stets erst nach einem inneren Kampf abrang, aber er leistete sie dennoch.
Wir Häftlinge hätten ihn gerne im Lager behalten, denn in der Untersuchung und Behandlung von Lagerinsassen erlebten wir keinen einzigen Fall, in dem er seine ärztliche Pflicht, ohne Ansehen der Person nach bestem Vermögen zu helfen, außer acht ließ. Aber es war uns auch klar, daß sich Dr. Blies bemühen würde, sobald wie möglich das Lager wieder zu verlassen. Er wurde dann auch bald unter Beförderung nach Hohenlychen versetzt.
Am 3. September erfolgte die Kriegserklärung Englands und Frank reichs an Deutschland . ,, Na ja, es ist wieder soweit", mit diesen bezeichnenden Worten quittierte Dr. Ding die Nachricht. Auf meine Frage, was unser verbündetes Italien jetzt machen werde, sagte er wegwerfend: ,, Ach die, die lassen uns selbstverständlich im Stich. Auf die ist kein Verlaẞ."
Am 2. September schon trafen neue Häftlinge zu Hunderten ein, und in den nächsten Tagen wurden es immer mehr und mehr. Viele waren darunter, die erst im Frühjahr bei der Massenaktion aus dem Lager entlassen wurden. Der kommunistische Abgeordnete Dr. Neubauer war auch dabei, aber er wurde bezeichnenderweise nach etwa 14 Tagen wieder entlassen, während sich das Lagertor über viele kleine Funktionäre und Mitläufer für immer schloß.
Die Umfassungsschlacht im Weichselbogen war noch nicht geschlagen, als die ersten Polen - Transporte" eintrafen. Das Sonderlager wurde wieder vollgepfropft. Angeblich um die Gefahr der Einschleppung von
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