sich verfärbt, sehe deutlich, daß seine Knie zittern. Da weiß ich, dieser Rose ist mein Mann!

Und er wurde es auch. Zwar konnte er nur in engen Grenzen helfen, aber er half so gut er konnte. Er besorgte uns zu rauchen, er gab uns zu essen, er schmuggelte einmal einen Brief an die Meinen aus dem Lager. Er beteiligte sich nie an Quälereien. Er war von allen SS. - Leuten, die ich kennengelernt habe, der einzige, über den ich nicht den Stab zu brechen

vermag.

Mit dem ersten Trupp KL.- Verstärkung, der im Lager eintraf, kam auch ein etwas poussierlich ausschauender, vielleicht fünfzigjähriger SS. ­Scharführer an, der sich von seinen Kameraden abhob. Ein großer, ziem­lich korpulenter Mann in einer reichlich kleinen SS.- Uniform. Seine Beine staken in gewöhnlichen Knobelbechern und wirkten wie zwei Stelzen in viel zu großen Stiefeln. Auf der linken Brustseite oberhalb des sich lustig unter dem Koppel vorschiebenden Bäuchleins das Eiserne Kreuz 1. Klasse. Das Gesicht leicht aufgedunsen wie das eines Menschen, der gut zu essen und zu trinken versteht, und mit allen Prädikaten eines Sanguinikers. Schmisse über der Backe verraten den früheren Kommili­tonen einer schlagenden Verbindung". Das Einglas, das mit einer fabelhaften Sicherheit und Selbstverständlichkeit gehandhabt wird, deu­tet auf den ehemaligen Offizier monarchistischer Prägung hin. Es ist Dr. med. Blies aus Offenbach am Main , durch die Mobilmachung zur KL.- Verstärkung in das Konzentrationslager Buchenwald befohlen.

Noch am gleichen Tage hatte ich auf Grund des Mobilmachungs­befehls eine Meldung mit genauer Personalangabe, SS.- Dienstgrad, Funktion im Lager und ehemaligem Dienstgrad in der Armee über die eingetroffene KL.- Verstärkung an das SS.- Sanitätshauptamt in Berlin zu machen. Der Meldung wurde ein Beförderungsvorschlag beigefügt, und es dauerte nur einige Tage, dann war z. B. SS.- Mann Rose SS.- Ober­scharführer, SS .- Scharführer Blies SS.- Obersturmführer, und Dr. med. Blies wandelte sein Äußeres in eine weniger putzige Figur.

Aber einstweilen war er noch SS .- Scharführer und wurde nun zur Unterstützung des Lagerarztes in den Betrieb eingeführt. Natürlich wurde ihm zunächst ein potemkinsches Dorf vorgeführt, aber er fiel auch dabei schon von einem Erstaunen ins andere. Am meisten verwun­derte ihn wohl, was hier im Lager die Häftlinge alles selbständig ver­richteten, Häftlinge, die nicht die geringste ärztliche Fachausbildung hatten. Die Ambulanzbehandlung ließ er vielleicht noch durchgehen, aber daß Laien hier auch die schwierigsten Erkrankungen auf dem Ge­biete der inneren Medizin vollkommen selbständig behandelten, daß sie

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