Lehrer neben dem Handwerker, der Künstler neben dem Schwachsinnigen, der Kaufmann neben dem Stromer stand, man hätte nicht sagen können, wer der eine und wer der andere war. Es war so, als ob das, was früher die ganze Welt der einzelnen Persönlichkeit ausmachte, mit einem Schlage und restlos vernichtet war. Und man muẞte schon lange Zeit im Lager sein und wissen, was der oder jener früher einmal gewesen war, und eine hochentwickelte Gabe der Menschenkenntnis haben, um Spreu vom Weizen, Charakter von Charakterlosigkeit, Wissen von Dummheit, Idealismus von Materialismus an äußeren Merkmalen sondern zu können.
Das Vegetieren im Lager erschlug fast immer das Bewußtsein vom eigenen Wert und von der eigenen Würde. Und jene Häftlinge, die sich trotz allem ihre Persönlichkeit zu erhalten wußten, waren die Ausnahme, nicht die Regel. Buchenwald zermalmte jeden Persönlichkeitswert.
Das, was der wissende Mensch von ganz Deutschland feststellen konnte, wenn er von einer hohen Warte in den zwölf Jahren des Grauens auf Deutschland niederblickte, dieses Absterben jedes individuellen Wertes, hier in Buchenwald konnte er es bis zur letzten Konsequenz verwirklicht feststellen. Und es gab nur noch ein einziges Ereignis, das diesen Zustand an Gleichmacherei noch übertraf. Das war die grauweiße Asche der verbrannten Häftlinge; die Asche, die man als Düngemittel an den deutschen Bauern verkaufte---
Und wenn einmal auf Pilastern, die bis in den Himmel reichen sollten, die Namen derer mit Flammenschrift eingemeißelt werden, die in den deutschen Konzentrationslägern ermordet wurden, dann erst wird man sehen, wieviel Edelmut, wieviel reines Menschentum, wieviel Intelligenz, wieviel Gelehrsamkeit, welche geistigen und sittlichen Qualitäten hier brutalst ausgerottet wurden. Gelehrte, Künstler, Erzieher, Staatsmänner, Politiker, Führer auf allen Gebieten des menschlichen Lebens von Weltruf wurden hier barbarisch vernichtet.
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In jedem Lexikon nicht nationalsozialistischer Prägung findet man den Namen Kreuzfuchs. Er ist in das Register ärztlicher Fachausdrücke eingetragen wie die Namen Basedow, Priesnitz oder Billroth . Der Mann, der als Röntgenologe so seinen Namen weithin sichtbar in die Geschichte eintrug, lebte als Arzt in Wien und war Jude. Er hatte still und zurückgezogen nur seiner Wissenschaft gelebt, aber Jude. Er hatte sich kaum, und in der Öffentlichkeit schon gar nicht, um Fragen des gesellschaftlichen Lebens gekümmert, aber er Jude. Er war viel zu ,, weltfremd", um zu wissen, was Nationalsozialismus war und hatte darum niemals zu dieser ,, Sache" so oder
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