besonderen Schwierigkeiten bereiten würde, war ich doch überrascht über die Schnelligkeit, mit der der Lagerarzt die ärztliche Untersuchung erledigte. Es ging buchstäblich schneller, als ich es hier zu beschreiben vermag. Der Häftling hatte sich draußen auf dem Flur zu entkleiden, wurde hereingerufen, Ding setzte das Hörrohr auf zwei Sekunden über dem Herzen an und schickte den Kameraden wieder aus dem Zimmer. Ich fertigte ein Attest nach Muster Nr. 1 aus und schrieb eine Geld­anforderung über 12 Reichsmark an die Kassenverwaltung. Die An­forderung händigte ich dem Häftling aus, der das Geld besorgte und bei mir gegen Aushändigung des Attestes ablieferte. Ich lieferte die Summe an den Lagerarzt ab, und der Fall war erledigt.

Und jeden Tag kamen Juden mit solchen Anliegen, manchmal nur 2, 3 oder 5, häufig aber auch 20, 30, 40 und mehr, und nach kurzer Zeit schon machte sich Ding nicht einmal mehr die Mühe, die Juden anzusehen, geschweige denn zu untersuchen. Die Atteste wurden am laufenden Band ausgestellt und es wurde alles bescheinigt, was die Bitt­steller bescheinigt haben wollten. Der einzige Unterschied war nur noch der, daß die Gebühr, die zu zahlen war, möglichst hoch angesetzt wurde, und das war um so leichter, weil die Höhe der abgeforderten Summe bei den jüdischen Häftlingen in der vagen Hoffnung, sie könnten doch noch aus der Hölle entrinnen, keine Rolle spielte. Ich lernte auch bald die nationalsozialistische Unterscheidung zwischen Lagerarzt und Amts­arzt kennen. Der Lagerarzt war in gleicher Person auch Amtsarzt. Wenn aber ein amtsärztliches Attest verlangt wurde, dann kostete das gleiche Attest, das sich nur durch ein anderes Siegel unterschied,-- 10 Reichs­mark- mehr.

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Zuweilen kam es vor, daß die Ausfüllung größerer Formulare gefor­dert wurde, die den jüdischen Häftlingen von ihren Angehörigen zu­geschickt wurden, die draußen die Auswanderungspapiere zusammen­zubringen suchten. Auf diesen Vordrucken wurde die Beantwortung von Fragen verlangt, die nur ein mit den Fachausdrücken vertrauter Arzt sachgemäß beantworten konnte. Das hätte von Dr. Ding, selbst wenn er die Häftlinge nicht untersuchte, vielleicht eine halbe Stunde oder etwas mehr Zeit beansprucht. Ding übertrug die Beantwortung der Fragen jüdischen Ärzten und beschränkte sich darauf, 50 oder 60 Reichsmark je nachdem zu kassieren.

Anfangs war ich ahnungsloser Europäer der Meinung, daß Dr. Ding die so einkassierten Gelder an irgendeine Amtskasse abliefern würde, denn ich konnte mir nicht vorstellen, daß auf so einfache Weise jemand, der in fester Besoldung stand, nebenbei Tag für Tag 300, 400, ja 600,

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