welches der vier Muster für Holland , welches für England, welches für Amerika und welches für Shanghai benötigt wurde.

Es war damals noch üblich, daß jüdischen Häftlingen, die politisch nicht belastet waren, die Auswanderung aus Deutschland gestattet wurde. Neben anderen Papieren, die das dritte Reich und die Staaten, in die der Jude einwandern wollte, von solchen Auswanderern ver­langten, war meistens auch ein Gesundheitsattest erforderlich, denn die Aufnahmestaaten hatten begreiflicherweise keine Neigung, kranke Per­sonen aufzunehmen, die den betreffenden Staaten doch bald zur Last fallen würden.

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Es ist von uns Häftlingen damals manchesmal die Frage sorgfältig erwogen worden, wieso es die Nazis zulassen konnten, daß Häftlinge, die doch aus eigener Anschauung die grauenhaften Zustände im Kon­ zentrationslager Buchenwald kannten, in das Ausland gelassen wurden. Uns war es offen gestanden- ein wenig unbegreiflich. Denn wir sagten uns, daß doch kaum ein Jude dort in der freien Welt sich um die beim Verlassen des Lagers abgezwungene Verpflichtungserklärung, keine ,, Greuelnachrichten" über das Lager zu verbreiten, kümmern werde, und daß das Gewissen der Welt durch die immer wieder kongruenten Berichte aus deutschen Konzentrationslägern aufgerüttelt werden

müßte.

Zwar leuchtete es uns ein, daß mit der Veröffentlichung der Zustände in Buchenwald die Gefahr heraufbeschworen wurde, daß keine Juden mehr aus dem Lager entlassen werden würden, oder daß es bei der Ein­stellung der Nazis sehr leicht möglich sein könnte, daß man zu Ver­geltungsmaßnahmen gegen die im Lager zurückgebliebenen Rasse­genossen überging. Aber nach unserer Ansicht wurde dieses ,, Risiko" nicht von dem Meer des Grauens aufgewogen, das hier schaudervollst abgründig tobte, und wir konnten es uns nicht vorstellen, daß das wach­gerüttelte Weltgewissen nicht imstande sein sollte, die Dämme zu durch­stoßen, die dieses furchtbare Meer von Blut, Leid und Qual zusammen­drängten.

Wir wußten auch, daß hier und dort in ausländischen Zeitungen be­reits Berichte über Buchenwald und andere deutsche Konzentrations­läger veröffentlicht worden waren, wir wußten, daß die Lagerleitung diese Berichte kannte( Ding selbst hatte mir einmal erzählt, daß im Aus­land ein Bericht über das Häftlingsrevier mit ziemlich genauen Angaben veröffentlicht worden war), und trotzdem wurden Juden weiter ent­lassen und keine Vergeltungsmaßnahmen durchgeführt.

Wir wußten noch nicht, wie ungemein schwer es ist, diesen wahrheits­

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